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Inklusionsklima durch HR-Praktiken: Wertschätzung und Wertschöpfung

Die zunehmende Alterung der Gesellschaft wirft die Frage auf, wie die damit verbundene wachsende Bevölkerungsgruppe von Menschen mit Behinderungen in die Arbeitswelt (re-)integriert werden kann. Dr. Miriam Baumgärtner und Prof. Dr. Stephan Böhm von der Universität St.Gallen konnten in Kooperation mit Audi aufzeigen, wie eine Steigerung von Wertschätzung und Wertschöpfung gelingt und zu einer besseren Firmenperformance sowie zu einem verbesserten Gesundheitszustand der Mitarbeitenden führt. Im folgenden Fachbeitrag unseres Partnerinstitutes erfahren Sie mehr.

Mehrere Menschen verschiedener Altersklassen sitzen an einem Konferenztisch und halten ein Meeting. | © pexels

Gesunde Mitarbeiter:innen, die sich wohlfühlen, leisten bessere Arbeit. (pexels)

Der demografische Wandel zieht weitreichende Folgen mit sich: Während im Jahr 2006 die Beschäftigungsquote der 60 bis bis 64-Jährigen bei etwa 30 Prozent lag, stieg sie bis 2016 auf rund 56 Prozent. Mit zunehmendem Alter erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer chronischen Krankheit oder Behinderung, was viele Unternehmen nun mit der Herausforderung konfrontiert, die Arbeitsfähigkeit ihrer Mitarbeitenden zu erhalten und deren Arbeitsplätze zu sichern. Studien zeigen, dass zunehmende Altersdiversität mit Produktivitätsverlust verbunden ist, insofern die Arbeitsumgebung nicht auf die Mitarbeitenden angepasst ist (mehr zum Thema «Berufliche Inklusion von Menschen mit Behinderungen»). 

Praxis-Forschung mit Audi

Dr. Miriam Baumgärtner und Prof. Dr. Stephan Böhm führten in Zusammenarbeit mit dem Automobilhersteller Audi ein Projekt zur Gestaltung inklusiver durch. Die Ergebnisse zeigen klar: Ein positives Diversitätsklima verbessert sowohl die Arbeitsleistung als auch die gesundheitliche Situation aller betroffenen Mitarbeitenden. 


Audi ist mit der Tatsache konfrontiert, dass eine alternde Belegschaft den Leistungszielen einer taktgebundenen Fertigung oftmals nicht mehr gerecht werden kann. Um Lösungen zu finden, gründete Audi eine Arbeitsgruppe mit verschiedenen Vertreter:innen des Personal- und Gesundheitswesens.

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Ein Mann hält den Daumen hoch. | © pexels

Zuerst wurden Arbeitsmodelle bezüglich Unternehmensproduktivität gesichtet und auf die spezifischen Bedürfnisse von Audi angewendet. Ein Ziel war beispielsweise, den Produktionsfluss ihrer Linienfertigung aufrechtzuerhalten. Dabei steht das Organisationskultur- und klimamodell der Unternehmensproduktivität nach Kopelman, Brief und Guzzo (1990) im Zentrum. Dieses besagt, dass das Organisationsklima zwischen Input- und Output-Faktoren vermittelt. Verschiedene HR-Praktiken wie Rekrutierung, Arbeitsplatzgestaltung und Entlohnung können dabei wesentlich die persönliche Wahrnehmung der Arbeitsumgebung, d.h. das Arbeitsklima, beeinflussen. 

Die angepassten Arbeitsmodelle richten sich nach dem sogenannten. Die erarbeiteten Lösungen und Massnahmen wurden dokumentiert, nachverfolgt und jährlich überprüft. Das Forschungsteam des Center for Disability and Integration der Universität St. Gallen (CDI-HSG) führte Fokusgruppeninterviews mit allen relevanten Stakeholder-Gruppen sowie zwei quantitative Fragebogen-Erhebungen durch, bei welchen zwischen 15'000 und 17'000 Mitarbeitende befragt wurden.

Auswirkungen inklusiver HR-Praktiken auf Mensch und Zahlen

Die Auswertungen dieser Befragungen haben gezeigt, dass der Integrationsprozess von Angestellten mit Leistungseinschränkungen bei allen Mitarbeitenden hohe Akzeptanz findet. Das Organisationsklima spielt hierbei eine zentrale Rolle und wird von Mitarbeitenden als wichtig eingeschätzt und sehr positiv wahrgenommen. Diversitätsklima wird hierbei als sozialer Zusammenhalt, Einfühlungsvermögen und Unterstützung der Kolleg:innen verstanden, woraus dann wiederum gegenseitige Wertschätzung entsteht. Die Führungsperson ist dabei eine Schlüsselfigur, welche die Mitarbeitenden im Prozess der Integration begleitet und als Vorbild fungiert. Gemeinsam soll für die betroffenen Mitarbeitenden eine optimale Passung zwischen den persönlichen Stärken und den Jobanforderungen («Person-Job-Fit») gefunden werden. Indem alle Mitarbeitende für die Arbeitsplatzanpassung sensibilisiert werden, schafft die Führungsperson auch Akzeptanz im Team. Ergebnisse aus der Forschung haben gezeigt, dass sogenannte «weiche» Faktoren wie Kommunikation, Wertschätzung und Unterstützung als bedeutender wahrgenommen werden als «harte» Faktoren (beispielsweise ergonomische Arbeitsplätze). 

In einem zweiten Schritt wurde die Wirkung verschiedener Führungsstile analysiert. Dabei konnte gezeigt werden, dass eine gesundheitsfokussierte Führung den Gesundheitszustand im Team positiv beeinflusst. Dieser Führungsstil zielt darauf ab, Belastungen und akuten gesundheitlichen Problemen eine hohe Beachtung zu schenken und die Ressourcen- und Personalplanung dementsprechend anzupassen. Fehltage konnten so erheblich reduziert werden und der Gesundheitsstand war generell höher als bei Gruppen, in denen weniger Wert auf gesundheitsfokussierte Führung gelegt wurde.

Auch der Einfluss inklusiver HR-Praktiken auf die Leistungskennzahlen ist nicht ausser Acht zu lassen. Das Projekt hat gezeigt, dass das Organisationskultur- und klimamodell der Unternehmensproduktivität nach Kopelman und Kollegen (1990) in der Praxis erfolgreich umsetzbar ist und empirisch nachweisbare Ergebnisse mit sich bringt. Beispielsweise waren behinderungsdiverse Teams mit positivem Diversitätsklima innovativer und kreativer als homogene Teams (ohne Mitarbeitende mit Behinderung) oder heterogene Teams mit schwächerem Diversitätsklima. Ausserdem wurde für alle Mitarbeitenden ein signifikanter Zusammenhang zwischen Inklusionspraktiken und Gesundheitsstand, Zufriedenheit und der Loyalität der Mitarbeiter:innen zum Unternehmen nachgewiesen. 

Ein Vorbild für die praktische Umsetzung

Die Projektergebnisse haben weitreichende Implikationen für die Praxis: Einerseits werden Unternehmen bestärkt, Projekte zu inklusiven HR-Praktiken ins Leben zu rufen. Ausserdem zeigt der starke positive Zusammenhang zwischen einem guten Diversitätsklima und Firmenperformanz, dass gesundheitliche und finanzielle Anliegen miteinander vereinbar sind. Insbesondere das Miteinbeziehen aller Mitarbeitenden ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Durch inklusive HR-Praktiken wird ein Unternehmen nicht nur seiner sozialen Verantwortung gerecht, sondern kann ebenfalls seine Produktivität steigern. 

Spezifische Schulungen sind nötig, um alle Mitarbeiterebenen miteinzubeziehen und Führungskräfte für ihre bedeutende Rolle ideal vorzubereiten. In diesem Hinblick wurden Workshops und Führungskurse konzipiert, welche auf Techniken der Diversitätsführung und gesundheitsorientierten Führung abzielen. So entwickeln Führungskräfte ebenfalls ein erhöhtes Bewusstsein für Inklusionsthemen. 

Das Projekt ist ein optimales Beispiel dafür, wie Forschung und Praxis ineinandergreifen und sich gegenseitig bereichern können. Während die Wissenschaft durch empirische Analysemethoden theoretische Modelle validieren kann, kann für die Praxis eine auf das Unternehmen abgestimmte, wissenschaftlich validierte Strategie zur Verbesserung des Diversitätsklimas und der Job-Person-Passung erarbeitet werden. Das Projekt mit Audi und der Universität St.Gallen wurde 2016 mit dem Inklusionspreis der deutschen Wirtschaft ausgezeichnet.

Audis Integrationsbemühungen haben gezeigt, dass diversere Teams Innovation, Gesundheit und Rentabilität steigern können. Zentral sind hierbei inklusive HR-Praktiken, welche den gelebten Alltag eines Arbeitsklimas bestimmen. Dieser proaktive Umgang mit Diversität wird insbesondere im Hinblick auf den demografischen Wandel der Gesellschaft an Bedeutung gewinnen. 

Wir bedanken uns bei unserem Partnerinstitut CDI-HSG für die Empfehlung sowie die Zusammenfassung des Forschungsartikels von Dr. Miriam Baumgärtner und Prof. Dr. Stephan Böhm. Der Originalbeitrag erschien im Wissenschaftsjournal für die Personalpraxis «PERSONAL quarterly» und ist hier frei zugänglich.


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