Skip to Content Skip to Mainnavigation Skip to Meta Navigation Skip to Footer
Skip to Content Skip to Mainnavigation Skip to Meta Navigation Skip to Footer

Coaching als Wegweiser in der Berufswelt

Jeder Mensch steht im Leben vor der Frage, was er einmal werden möchte. So auch Menschen mit Behinderungen. Da diverse Barrieren die Berufswahl und den Einstieg ins Arbeitsleben erschweren können, kann ein systemisch-lösungsorientiertes Coaching massgebende Impulse setzen und Menschen mit Behinderungen in diesem Prozess unterstützen.

Ein junger Mann mit blondem Haar sitzt auf einem Sofa, ihm gegenüber ein ältere Mann mit Notizblock, der ihn coacht. | © pexels

Coaching kann bei der Berufswahl und im späteren Berufsleben helfen. (pexels)

In der Schweiz leben laut dem Bundesamt für Statistik rund 1,8 Millionen Menschen mit Behinderungen. Davon sind rund ein Drittel dieser Personen, also knapp 32 Prozent, nicht erwerbstätig, dies laut Inclusion Handicap. Diese Zahl hat erschreckenderweise im Verlauf der letzten Jahre zugenommen. Doch woran liegt das?

Arbeit tut der Seele gut

Menschen mit Behinderungen wollen, genau wie alle anderen Menschen auch, am Arbeitsalltag teilhaben können. Was eine Arbeitslosigkeit in Menschen verursachen kann, haben bereits Jahoda et al. (1975) in den zwanziger Jahren im kleinen oberösterreichischen Ort Marienthal untersucht. In einem soziografischen Versuch beschäftigte sich ein Team von rund 15 Wissenschaftler:innen mit den Auswirkungen der dortigen Fabrikschliessung im Jahr 1931. Das Besondere: Alle Einwohner:innen von Marienthal waren in dieser Fabrik angestellt, denn das Dorf wurde eigens für die Fabrik gegründet. So war ein ganzes Dorf auf einen Schlag arbeitslos. Welche Auswirkungen hatte dies auf die einzelnen Personen? Und welche Vorteile einer Erwerbstätigkeit wurden plötzlich ersichtlich? Jahoda et al. (1975) nannten als Bedeutung der Arbeit vor allem die Zeitdimension, also die Tagesstruktur, die wir durch einen Arbeitsalltag erhalten, aber auch die Wochenstruktur, indem sich Arbeitstage mit arbeitsfreien und Urlaubstagen im Wechselspiel verhalten. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Erweiterung des sozialen Horizonts. Kontakte können über die eigene Familie oder Nachbarschaft hinaus geknüpft werden. Mit den Mitarbeiter:innen wird man so zu engen Teamkolleg:innen, die beruflich ein kollektives Ziel verfolgen. Und nicht zuletzt bringt ein Arbeitsverhältnis Herausforderungen mit sich. Diese können zwar im Moment unüberwindbar wirken, geben uns aber zugleich einen gewissen Ansporn, den Gipfel zu erklimmen und erwecken in uns bisher schlummernde Talente. Sobald der Gipfel bestritten ist, machen sich Stolz, Selbstverantwortung und Selbstwert spürbar. Dieser Wechsel von Spannung und Entspannung sind bereichernd und formen einen Teil der Identität.

Erwerbstätigkeit als Teilhabe an der Gesellschaft

Im Umkehrschluss bedeutet der soeben beschriebene Sachverhalt, dass die Arbeitslosigkeit Menschen an sich und ihrem Selbstwert zweifeln lässt. Dies ist in Bezug auf Menschen mit Behinderungen nicht anders. Es sind jedoch meist Barrieren, ob physische oder gesellschaftlich bedingte, die Menschen mit Behinderungen den Eintritt in die Arbeitswelt erschweren oder gar verunmöglichen. Barrieren entstehen bereits bei der Berufswahl und ziehen sich weiter durch das gesamte Arbeitsleben. Wo als Kind allenfalls die Antwort fiel, man möchte einmal Feuerwehrmann oder Prinzessin werden, gehen Menschen mit Behinderungen die Berufswahl im Jugendalter durchaus realistisch an. Jedoch sind oftmals kleine Finessen entscheidend, ob ein Beruf erlernt werden kann oder nicht. Kann ich beispielsweise als Mensch im Rollstuhl Florist:in werden? Denn Menschen im Rollstuhl können ihren kreativen Geist nutzen und verfügen allenfalls über genügend Muskelkraft, um einen Blumenstrauss zu binden. Wer aber hilft beim Einkauf der Blumen oder beim Aufhängen von Gestecken? Dasselbe gilt in Bezug auf jegliche Behinderungsformen. Kann ich als sehbeeinträchtigte Person eine Lehre als Grafiker:in machen (lesen Sie mehr zum Thema Sehbehinderungen)? Oder kann ich als Mensch mit Hörbehinderung Musiker:in werden? Auf alle Fragen gibt es ein und dieselbe Antwort: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!

Systemisch-lösungsorientiertes Coaching als wertvolle Unterstützung

Auch wenn Menschen mit Behinderungen Expert:innen in eigener Sache sind, kann es schwierig sein, die Möglichkeiten und Begrenzungen abzuschätzen. Denn ein Schnuppertag erfasst noch lange nicht das komplette Spektrum der tagtäglichen Arbeiten und deren Barrieren. So bietet er auch zu wenig Zeit, um sich mit den effektiven Barrieren auseinanderzusetzen und Lösungswege zu suchen. Doch wer weiss Rat, wenn nicht die Menschen mit Behinderungen selbst? Nebst Berufsberatungen, Familien und Freunden, die oft selbst mit der Situation überfordert sind, können hier Coachings eine relevante Unterstützung bieten. Das Wort «Coaching» ist abgeleitet aus dem englischen Verb «to coach», das übersetzt «trainieren»  oder «betreuen» bedeutet. Unter dem Begriff «Coaching» versteht man viele verschiedene Beratungs- und Trainingskonzepte in unterschiedlichen Bereichen, zum Beispiel Business Coaching, Personal Coaching, Life Coaching oder auch systemisches Coaching. In der Regel geht es im Prozess darum, dass der Coach Klient:innen bei der Verwirklichung persönlicher und oft auch beruflicher Ziele unterstützt. Dies bedeutet in unserem Fall, dass Menschen mit Behinderungen bereits bei der Berufswahl fachliche Unterstützung einholen können. Bestenfalls geschieht dies von einem ausgebildeten Coach, die oder der selbst mit einer Behinderung lebt und so weiss, auf welchen Fokus die Fragen zu richten sind. Denn ein Coaching ist darauf ausgerichtet, durch gezielte Fragen Stärken, Ressourcen und Kompetenzen herauszuarbeiten und zu fördern. Deshalb wird häufig unter dem Begriff «Coaching» ein lösungsorientiertes Beratungskonzept verstanden, bei dem Klient:innen sehr eigenverantwortlich mitarbeiten: Der Coach hilft, eigene Lösungen zu finden und diese umzusetzen. Besucht also ein Mensch mit einer Behinderung ein Coaching, findet zuerst ein gegenseitiges Kennenlernen statt. Dabei werden unterschiedliche Fragen geklärt, wie beispielsweise welcher Leidenschaft die/der Klient:in in ihrer/seiner beruflichen Zukunft nachgehen möchte, welche Ziele verfolgt werden sollen oder welche Eckpunkte, ob Arbeitsweg oder Work-Life-Balance, im Arbeitsalltag wichtig sind.

EnableMe Jobportal

Sind Sie auf der Suche nach einer neuen beruflichen Perspektive? Entdecken Sie Stellen von inklusiven Unternehmen. Oder möchten Sie als Unternehmen inklusiver werden und einen diversen Talent-Pool von potentiellen Arbeitnehmer:innen direkt ansprechen? Kontaktieren Sie uns.

Zum Jobportal 

Ein Mann hält den Daumen hoch. | © pexels

Vom Gespräch bis zur Lösung

Aus diesem Gespräch kristallisieren sich die einzelnen Coaching-Schwerpunkte heraus, die dann in einzelnen Coaching-Sitzungen genauer behandelt werden können. So kann sich im Kennenlerngespräch zeigen, dass eine Person ratlos ist, wenn es um ihre eigenen Bedürfnisse hinsichtlich der Berufswahl geht, oder, dass sie Selbstzweifel hegt, wenn sie eine Einladung zum Bewerbungsgespräch erhält. Durch eine einfühlsame Unterstützung des Coaches sowie eine fachlich fundierte Anwendung von Coaching-Tools lernen Klient:innen sich selbst und ihre Bedürfnisse besser kennen. Zugleich können Selbstvertrauen und Selbstwert aufgebaut werden. Eine Entscheidung hinsichtlich der Berufswahl sowie der Einstieg ins Berufsleben können so erleichtert werden und geben der betroffenen Person zugleich das Gefühl, die herausfordernde Situation nicht alleine meistern zu müssen. Coachings sind jedoch nicht nur bei der Berufswahl oder dem Berufseinstieg förderlich, sondern können generell im Arbeitsalltag unterstützend wirken. Denn die Fragetechniken des systemisch-lösungsorientierten Coachings lassen sich auf jegliche Themen anwenden und haben, wie es der Name bereits vermuten lässt, jeweils immer die massgeschneiderte Lösung zum Ziel, die schlussendlich eine Verbesserung der Gesamtsituation sowie des Wohlergehens bewirken sollen. Auch wenn solche Angebote wie ein berufsbegleitendes Coaching nur als eine Massnahme unter vielen gilt, kann sie einen entscheidenden Beitrag zur beruflichen Inklusion von Menschen mit Behinderungen leisten. Sie unterstützt zwar nicht den Abbau physischer Barrieren oder diejenigen in den Köpfen der Menschen, prägt jedoch die Eigeninitiative von Menschen mit Behinderungen massgeblich mit und lässt ihre Stimme als Teil einer Gesellschaft lauter werden.

Wir danken unserer Helferin Kim Pittet für den Fachartikel. Kim Pittet ist dipl. Coach PLI und begleitet Menschen mit Behinderungen in ihrem Alltag. Ihren Schwerpunkt legt sie vor allem auf die Themen Umgang mit einer Diagnose, Wohnen mit Assistenz und Eingliederung in die Berufswelt. Nebst ihrer Tätigkeit als Coach lebt und arbeitet die 26-jährige Rollstuhlfahrerin als Kommunikationsfachfrau in Bern. Mehr Informationen gibt es auf ihrer Homepage.


Ist dieser Artikel lesenswert?

Fehler gefunden? Jetzt melden.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?