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Psychoonkologie – was ist das? Eine Zeiterscheinung? Geldmacherei? Oder vielleicht doch etwas Nützliches?

Wer mit einer Krebsdiagnose konfrontiert wird, befindet sich plötzlich in einer Ausnahmesituation. Was vorher normal war, wird mit der Diagnose auf den Kopf gestellt. Man ist mit körperlichen Veränderungen, Müdigkeit (Fatigue) und Ängsten konfrontiert. Die psychoonkologische Beratung, Betreuung und Begleitung bietet Hilfe, um mit der neuen Lebenssituation und den damit zusammenhängenden Einschränkungen besser umgehen zu können. Arzt und psychoonkologischer Berater Markus Schneider gibt in seinem Artikel Einblick in das Gebiet der Psychoonkologie und beantwortet wichtige Fragen zum Thema.

Eine Frau, die wegen ihrer Krebserkrankung ein Kopftuch trägt, schaut nachdenklich in die Ferne und hält dabei eine Kaffeetasse. | © pexels

Eine Krebserkrankung stellt das Leben auf den Kopf. Eine psychoonkologische Begleitung kann helfen. (pexels)

Das Gebiet der Psychoonkologie befasst sich mit psychischen und psychosozialen Begleiterscheinungen von Krebs in allen Krankheitsphasen. Sei dies bei der Diagnosestellung, im Verlauf der Behandlung oder nach deren Abschluss. Zusätzlich kann Psychoonkologie auch bei völliger Remission (kein Krebs mehr nachweisbar), im Falle von Rezidiven (Wiederauftreten des Krebsleidens) und/oder im palliativen Bereich (Therapie heilt nicht mehr, die Symptome werden, so weit es geht gelindert) in Anspruch genommen werden.

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Psychoonkologische Beratung, Betreuung und Begleitung

Eine Krebserkrankung hat meistens zahlreiche Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Menschen. Die Therapien sind belastend und in vielen Fällen ändert sich das Körperbild aufgrund von Operationen oder Chemotherapien. Die eigene Zukunft ist plötzlich ungewiss, es entstehen Ängste und Unsicherheiten. In vielen Fällen wird das eigene Leben, und teilweise auch das Leben von Angehörigen, völlig aus der Bahn geworfen. Was vor der Diagnose noch völlig normal war, wie zum Beispiel einer Arbeit nachzugehen, Hobbys zu haben und das Leben mit der eigenen Familie zu verbringen, wird durch die Diagnose auf den Kopf gestellt.

Die psychoonkologische Beratung findet in Form von Gesprächen mit den Betroffenen und/oder ihren Angehörigen statt und hat zum Ziel, Hilfe anzubieten, um mit der neuen Lebenssituation und etwaigen Einschränkungen besser umgehen zu können. Ausserdem kann die Beratung dabei helfen, belastende Informationen zu verarbeiten, sich mit den Auswirkungen der Erkrankung auseinanderzusetzen und dadurch die Lebensqualität verbessern.

Sehr wichtig ist meiner Meinung nach, dass die Gespräche nicht nach einem vorgegebenen Schema ablaufen. Dass also nicht Punkte oder Themen, die man sich vorher zurechtgelegt hat, besprochen und abgehakt werden, sondern dass immer die Wünsche und Anliegen des betroffenen Menschen im Vordergrund stehen. Diese sind meistens sehr unterschiedlich. So kann zum Beispiel jemand nicht mit körperlichen Einschränkungen und/oder Veränderungen umgehen (wie zum Beispiel verstärkter Müdigkeit, Fatigue), jemand anders kämpft mit psychischen Veränderungen (beispielsweise Ängsten) oder, wie meistens, eine Kombination zwischen psychischer und körperlicher Verfassung, zum Beispiel Müdigkeit aufgrund fast ständiger Angst.

Was ist das Spezielle an dieser Therapie?

Eine Krebserkrankung ist eine akute Belastungssituation, die die meisten Menschen quasi ohne Vorwarnung trifft. Bei vielen anderen Erkrankungen zeigen sich meist länger vor der Diagnose Symptome, die auf die Erkrankung, sagen wir zum Beispiel, eine Herzinsuffizienz (Schwäche des Herzens), hinweisen. Die gestellte Diagnose ist dann sicherlich auch nicht einfach zu verarbeiten, aber man konnte sich zumindest teilweise ein wenig darauf vorbereiten.

Die psychoonkologische Begleitung wird stark durch den körperlichen Krankheitsverlauf bestimmt, gewisse Symptome oder Einschränkungen machen es zum Teil schwierig bis unmöglich, Termine wahrzunehmen. Durch die existentielle Bedrohung entsteht vielfach eine schnellere und tiefgründigere Beziehung zwischen Patient:in und Therapeut:in, da viele Patient:innen wie unter Zeitdruck stehen. Sehr wichtig zu erwähnen ist zudem, dass im Bereich der Psychoonkologie häufig die Angehörigen involviert sind, ja teilweise sogar der Grund sind, dass ein Patient die psychoonkologische Begleitung in Anspruch nimmt.

Ein Mann stützt sein Kopf verzweifelt in seine Hände. Er sitzt dabei Zuhause am Esstisch und ist von der Kamera abgedreht. | © pexels Eine Krebsdiagnose beeinträchtigt auch die Psyche. (pexels)

Die meisten Patient:innen sind vor der Diagnose psychisch gesund, es kommt aber auch vor, dass psychische Störungen, wie zum Beispiel eine Depression oder Angststörungen, die vor der Diagnose wenig Einfluss auf das Leben hatten, nach Erhalt der Diagnose deutlich stärker werden, also nicht neu sind, sondern quasi reaktiviert werden.

Ganz wichtig ist es zudem, dass sich der oder die Therapeut:in mit existentiellen Themen wie zum Beispiel Tod oder Behinderungen befasst hat, auch wenn dies nicht immer einfach ist, da man kaum wissen kann, wie es sich anfühlt, eine lebensbedrohliche Krankheit zu haben.

Was sind die Ziele der Psychoonkologie?

Sehr wichtig ist hier eine Entlastung des jeweiligen Patienten, der jeweiligen Patientin. Man kann aufzeigen, dass er oder sie nicht alles alleine tragen muss, sondern gewisse Dinge und Tätigkeiten auch delegieren kann, sei dies zum Beispiel Arbeit im familiären Bereich, wie Haushalt oder Gartenarbeit. Gefühle von Angst, Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit sollen reduziert werden, sodass sie nicht gänzlich den Tag und/oder die Nacht bestimmen. Man kann diese Gefühle oder Gedanken nicht löschen, aber man kann ihnen deutlich weniger Gewicht zumessen. Dies ist meistens nicht sofort möglich, sondern braucht Übung – man kann auch sagen Training. Es zeigt sich, dass man dies zusammen in den Therapiesitzungen gut üben kann. Es gibt verschiedene Ansätze. Ich persönlich bevorzuge verschiedene Achtsamkeitsübungen, die das Leben im Hier und Jetzt hervorheben und immer wiederkehrende Gedanken und/oder Emotionen dadurch an Gewicht verlieren. Diese Übungen kann man gut trainieren, sodass die Patient:innen diese auch zwischen den Sitzungen anwenden können. Es gibt da keine Vorschrift wie lange oder wie oft, wichtig ist, dass es für den Patienten, die Patientin stimmt und er oder sie sich nicht überlastet.

Vielfach zeigt sich, dass nach der Krebsdiagnose das Selbstwertgefühl kleiner wird. Dieses wieder zu stärken, ist ein weiteres Ziel, da so auch die Einstellung zur Krebserkrankung verändert werden kann: durch Akzeptanz und verbesserte Krankheitsverarbeitung. Viele Patient:innen kapseln sich nach Erhalt der Diagnose von der Aussenwelt ab, wobei dies bei Männern deutlich häufiger der Fall ist als bei Frauen. Dies zeigt sich auch bei der Psychoonkologie. Man kann sagen, dass etwa 90 Prozent der Patient:innen, die eine psychoonkologische Begleitung in Anspruch nehmen möchten, Frauen sind. Ziel ist es, die Patient:innen von dieser Abkapselung zu lösen, das heisst, zu erreichen, dass sie wieder aktiver am Leben teilnehmen können. Dies kann schrittweise erfolgen, durch eine Wieder-Verbesserung der Beziehung zwischen Patient:in, Partner:in und Angehörigen, zum Beispiel durch eine bessere, klarere Kommunikation. Vielfach zeigt sich auch, dass Themen wie Rollenänderung und Sexualität sehr wichtig sind. So hatte der oder die Patient:in vielleicht vor der Diagnose die Rolle des Oberhaupts, das heisst, er oder sie hat jeweils alle Entscheidungen gefällt. Hier kann aufgezeigt werden, dass diese Aufgabe aufgeteilt werden kann, man Entscheide zusammen diskutieren und so zusammen Lösungen oder Lösungsansätze finden kann. Auch im Bereich der Sexualität ist eine verbesserte Kommunikation förderlich, da so Änderungen oder Anpassungen besprochen werden und zusammen ein für beide Seiten passender Weg gefunden werden kann.

Ein weiterer Punkt ist die gemeinsame Erarbeitung eines Lebensziels beziehungsweise einer
Lebensperspektive
. Dies sorgt dafür, dass der oder die Patient:in aktiv mitwirkt, zum Beispiel wenn es um Therapien oder Verbesserungen des körperlichen und psychischen Zustands geht. So kann beispielsweise die Müdigkeit (Fatigue) reduziert werden, indem neue Verhaltensweisen oder Übungen zusammen besprochen, geübt und dann vom Patienten, von der Patientin selbstständig angewandt werden. Das übergeordnete Ziel ist bei allen Punkten, die ich erwähnt habe, die Verbesserung der Lebensqualität.

Häufige Fragen zu psychischen Faktoren

Abschliessend möchte ich noch kurz etwas über den Effekt psychoonkologischer Begleitung auf psychische Faktoren sagen. Diese Ergebnisse wurden durch mehrere Studien belegt. Häufige Fragen, die man oft hört, sind: 

Entsteht Krebs wegen psychischer Faktoren wie zum Beispiel Angst, Depression, Schuldgefühle oder nicht verarbeiteter schockierender Erlebnisse (Traumata)?

Nein.

Wirkt sich die Krebserkrankung auf die Psyche des Patienten aus?

Ja, in vielfältigem Ausmass, jedoch ist die Art von Mensch zu Mensch verschieden.

Beeinflussen psychische Faktoren den Krankheitsverlauf?

Ja, zum Beispiel können Hoffnungslosigkeit und Depression das Verhalten verändern, sodass zum Beispiel Therapien jeglicher Art abgelehnt werden. Ein soziales Netz, das den Patienten, die Patientin mitträgt, ist hilfreich.

Können durch psychoonkologische Interventionen die Überlebenschancen verbessert werden?

Überleben: nein, Lebensqualität: ja


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