Menschen sind sexuelle Wesen und haben ein Bedürfnis nach Nähe, Intimität und Zärtlichkeit. Da die Sexualität eines jeden Menschen sehr individuell ist, gibt es ein grosses Spektrum, wie Sexualität gelebt wird. Viele Faktoren haben darauf Einfluss, wie ein Mensch seine Sexualität empfindet und ausleben möchte. Zudem entwickelt und verändert sich die eigene Sexualität ein Leben lang.
Was bei diesem Thema die meisten Menschen eint sind Grundfragen, wie beispielsweise:
- Wie finde ich einen Partner oder eine Partnerin?
- Was bereitet mir Lust?
- Wie und mit wem möchte ich meine Sexualität leben?
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Menschen mit einer Behinderung haben genau wie alle anderen ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. In der Realität werden Menschen mit Behinderungen und deren Sexualität häufig nur oder vor allem über ihre Behinderung definiert. Durch die Behinderung erhält deren Sexualität jedoch lediglich eine weitere Facette an individueller Eigenart. Zudem kann nicht pauschal über «die Menschen mit Behinderungen» gesprochen werden, da die Art der Behinderung das (Sex-)Leben höchst unterschiedlich beeinflusst und es individuelle Grade und Betroffenheiten gibt. Eine Querschnittlähmung beeinflusst das Ausleben der eigenen Sexualität womöglich anders als eine Sehbehinderung. Grundsätzlich gilt jedoch: die Schnittmenge der Gemeinsamkeiten ist grösser ist als die der Unterschiede.
Hürden der sexuellen Selbstbestimmung
Unsere ableistische Gesellschaft (das bedeutet: auf Defizite ausgerichtete Sichtweise auf Menschen) diskriminiert Menschen mit Behinderungen noch immer: So werden diese oft nicht als sexuelle Wesen wahrgenommen oder aber hypersexualisiert. Das kann dazu führen, dass Menschen mit Behinderungen vielen Hürden und Anstrengungen ausgesetzt sind auf ihrem Weg zur sexuellen Selbstbestimmung und Partnerschaft. Zusätzlich sind Sexualität und Behinderung noch immer Tabuthemen in unserer Gesellschaft. Menschen mit Behinderungen werden dadurch auch in sexueller Bildung oft nicht berücksichtigt. Somit kommt es zu einem Mangel an Informationen. Materialien der sexuellen Bildung müssen vielfältiger werden, damit Menschen mit Behinderungen sich gesehen fühlen und profitieren können. Auch in politischen, queeren Szenen brauchen Menschen mit Behinderungen ihren Platz. Oft erfahren sie auch dort Ausgrenzung oder werden schlicht nicht mitgedacht (lesen Sie hier mehr zum Thema Homosexualität bei Menschen mit Behinderungen).
Gewalt und Grenzverletzungen betrifft Menschen mit Behinderung leider sehr stark. Ein Bereich, in dem die sexuelle Selbstbestimmung oft nicht verwirklicht ist, ist die Pflege und Assistenz. Die Pflege ist eine oftmals körperlich intensive, sehr intime Angelegenheit, da sich beide Parteien sehr nahekommen. Deshalb ist es wichtig, das Thema Sexualität respektvoll anzusprechen und gemeinsam einen Weg zu finden, die Intimsphäre des Menschen mit Pflegebedarf zu wahren (lesen Sie dazu: Sexualität in der Pflege). Auch kann es in der Pflege schnell zu Grenzverletzungen kommen, wenn Grenzen beispielsweise aufgrund von Zeitdruck oder Unachtsamkeit überschritten werden. Ein Thema, welches unter Menschen mit Behinderung kontrovers diskutiert wird, ist das Verhältnis zu Amelotatisten. Diese haben eine sexuelle Präferenz für Menschen mit Behinderungen.
Was besonders ins Auge sticht, sind die Zahlen bezogen auf sexualisierte Gewalt: Frauen mit Behinderungen sind zwei bis dreimal häufiger von sexualisierter Gewalt betroffen als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt. Besonders betroffen sind davon gehörlose und blinde Frauen. Frauen mit Behinderungen sind noch immer nicht ausreichend vor sexualisierter Gewalt geschützt.
Sexuelle Selbstbestimmung
Positiv zu sagen ist jedoch: viele Menschen mit Behinderungen leben selbstbestimmt ihre Sexualität – auch wenn die Gesellschaft noch viele Vorurteile und Unwissen demgegenüber hat. Auch wenn der Bedarf an Kommunikation, Unterstützung, Kreativität und Umdenken vielleicht grösser ist als bei Menschen ohne Behinderung – der Qualität der sexuellen Interaktionen tut dies nicht unbedingt einen Abbruch. Im Gegenteil: gelingende Kommunikation und Kreativität sind förderlich für eine lustvolle Sexualität.
Es gibt mittlerweile viele Hilfsmittel und Sexspielzeuge, um Sexualität auch mit Einschränkungen selbstbestimmt leben zu können. Für Menschen, die diese Möglichkeiten nicht nutzen können oder wollen, gibt es zudem die Möglichkeit, Sexualbegleitung oder Sexualassistenz in Anspruch zu nehmen. Menschen mit Behinderung haben wie alle ein Recht auf Lust, Sexualität, Verhütung und Elternschaft. Dafür brauchen sie Sichtbarkeit in der Gesellschaft und eine selbstverständliche Teilhabe. Dies muss weiterhin gefördert werden – damit alle die Möglichkeit haben, eine lustvolle Sexualität zu leben.