Skip to Content Skip to Mainnavigation Skip to Meta Navigation Skip to Footer
Skip to Content Skip to Mainnavigation Skip to Meta Navigation Skip to Footer

Homosexualität bei Menschen mit Behinderungen – das unsichtbare Handicap

Menschen mit Behinderung, die nicht heterosexuell sind, sind von einer Mehrfachdiskriminierung betroffen. Aus Angst vor noch stärkerer Ausgrenzung erleben lesbische, schwule und bisexuelle Menschen mit Behinderung ihr Coming-Out durchschnittlich wesentlich später als Menschen ohne Behinderung. Auch erfahren sie in der queeren Szene Ausgrenzung und werden oft nicht mitgedacht.

LGBTQ Flagge. | © pixabay

Menschen mit Behinderungen, die homosexuell sind, sind doppelt gefährdet, diskriminiert zu werden. (pixabay)

Die Schwierigkeiten, mit denen sich homo- und bisexuelle Menschen mit Behinderung konfrontiert sehen, sind facettenreich. Teilweise unterscheiden sie sich nicht von denen, die auch homosexuelle Menschen ohne Behinderung haben, teilweise entstehen aufgrund der Behinderung neue. Zusätzlich hat ein Grossteil der Bevölkerung noch immer Probleme damit, Menschen mit Behinderung eine eigenständige Sexualität zuzugestehen. Dass diese dann auch noch schwul, lesbisch oder bisexuell sein können, ist für viele undenkbar.

Inneres, äusseres und doppeltes Coming-out

Das Coming-out kann für jede homosexuelle Person, egal ob mit oder ohne Behinderung, eine schwierige Zeit darstellen. Es wird zwischen innerem Coming-out – der eigenen Erkenntnis, nicht heterosexuell zu sein – und dem äusseren, also dem Bekanntgeben der sexuellen Orientierung an die Mitmenschen, unterschieden. Dieser schwierige Prozess, sich mit seiner eigenen Sexualität auseinander zu setzen, fordert von allen Heranwachsenden Kraft und Mut. Jugendliche mit Handicap werden in der Pubertät aber zusätzlich mit ihrer Behinderung konfrontiert. Häufig werden sie durch ihr Umfeld auf diesen Aspekt ihrer Persönlichkeit reduziert. Deshalb sind sich behinderte Teenager ihrer eigenen Sexualität oftmals gar nicht bewusst oder stehen sich diese nicht zu.

Thomas Rattay, Referent für Jugendliche mit Behinderung vom deutschen Jugendnetzwerk LAMBDA, kennt diese Problematik sehr gut: «In der Regel findet bei Jugendlichen ohne Behinderung das äussere Coming-out zwischen 15 und 17 Jahren statt. Heranwachsende mit Behinderung outen sich später, meist erst mit Anfang, Mitte 20. Daran sieht man, dass sich ihre Entwicklung an diesem Punkt verzögert, weil sie zwei Herausforderungen meistern müssen.» Das Netzwerk für junge Lesben, Schwule und Bisexuelle hat sich zur Aufgabe gemacht, auch Jugendliche mit Behinderung in ihre Projekte zu integrieren.  

Wie viele Menschen bei der Partnerwahl das gleiche Geschlecht bevorzugen, ist unklar. Schätzungen schwanken zwischen vier und zehn Prozent der Bevölkerung, wobei ein starkes Stadt-Land-Gefälle herrscht. Das Leben der homosexuellen Szene konzentriert sich auf die Grossstädte. In Bars, Diskotheken oder anderen Szenelokalitäten wie speziellen Saunen für Homosexuelle haben Mann und Frau die Gelegenheit, unter Gleichgesinnten zu sein und vor allem Kontakte zu knüpfen. Sehr häufig allerdings sind diese Orte nicht barrierefrei. «So haben zum Beispiel Rollstuhlfahrer, deren Möglichkeiten ohnehin schon begrenzt sind, noch weniger Chancen, sich in die Szene zu integrieren», sagt Rattay. Er kennt das Problem aus eigener Erfahrung, denn das LAMBDA-Büro liegt im zweiten Stock – ohne Aufzug.   

Eine Minderheit innerhalb der Minderheit

Schwierigkeiten mit seiner Behinderung hat Marc (Name von der Redaktion geändert) nicht. Als Kind verlor er bei einem Unfall einen Arm. Seine Vorliebe fürs männliche Geschlecht bemerkte er mit 18 Jahren. Eher zufällig geriet er in die Schwulenszene: «Ich musste aufs Klo und ging auf eine öffentliche Toilette. Dort standen links und rechts von mir zwei Männer, die nichts taten. Irgendwann fingen sie an zu onanieren, worauf ich mit dem einen in der Kabine verschwand. Das war sozusagen mein erstes Mal mit einem Mann.»   

Einmal wöchentlich leitet er eine Gruppe für homosexuelle Männer mit Behinderung und kennt aus vielen Beratungsgesprächen die häufig auftretenden Probleme. Oft hört er dabei von Depressionen, Suchtproblemen oder dem Versuch, das Handicap zu kaschieren – oder er hört gar nichts. Denn manchmal würden sich gehandicapte Schwule auch aus Furcht vor Abweisung innerhalb der Szene völlig isolieren und die eigene Homosexualität verdrängen. «Leider ist es so, dass eine Minderheit innerhalb einer Minderheit ausgegrenzt wird», stellt Raidl fest.

Fehlende mediale Sichtbarkeit

Menschen, insbesondere Jugendliche mit Behinderung benötigen Identifikationsmöglichkeiten, um mit ihrer doppelten Diskriminierung umgehen zu können. Nicht nur sind Menschen mit Behinderung medial stark unterrepräsentiert, trifft das auf homosexuelle Menschen mit Behinderung noch stärker zu. Eine stärkere (mediale) Sichtbarkeit von homosexuellen Menschen mit Behinderung ist sehr wichtig, damit diese sich gesehen und repräsentiert fühlen und sie darin bestätigt werde, dass das, was sie fühlen und wie sie lieben, völlig in Ordnung und absolut normal ist.


Ist dieser Artikel lesenswert?

Fehler gefunden? Jetzt melden.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?