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Sexualität in der Pflege

Menschen mit einer schweren Behinderung und der oft einhergehenden Pflegebedürftigkeit sind ebenso Wesen mit sexuellen Bedürfnissen. Diese Erkenntnis findet allmählich Eingang in die Gesellschaft – und ebenfalls in die Pflegetätigkeit.

Eine Person hält fürsorglich die Hand einer anderen Person. | © pixabay

Zwischen sexueller Selbstbestimmung und Wahrung der Intimsphäre: Für Pflegekräfte eine Herausforderung. (pixabay)

Sexualität wird in unserer Gesellschaft immer mehr enttabuisiert. Dennoch gibt es nach wie vor Bereiche, wo sie kaum noch ein Thema darstellt – wie etwa im Pflegebereich. Denn die Pflege von schwerbehinderten Menschen, ob ambulant oder im Heim, ob als Angehörige:r oder als Fremde:r, stellt eine körperintensive, mitunter gar intime Angelegenheit dar.

Denn laut der Gesellschaft für medizinische Intensivpflege «haben pflegerisches und sexuelles Handeln durchaus viel gemeinsam». Weil der pflegebedürftige Mensch gewaschen, angezogen oder getragen werden muss, entsteht regelmässig ein enger körperlicher Kontakt. Hinzu kommt, dass Menschen mit einer Schwerbehinderung in der Regel nicht die üblichen Möglichkeiten haben, ihre Sexualität auszuleben – aufgrund der motorischen Einschränkungen, aber auch aufgrund gesellschaftlicher Vorbehalte sowie Schwierigkeiten bei der Partnersuche.   

Weniger Möglichkeiten Sexualität auszuleben

Dabei werden sexuelle Bedürfnisse oft unterdrückt, die dann bei bestimmten Berührungen während der Pflege unbeabsichtigt ausgelöst werden oder es zu Übergriffen führen kann. Bei schwer Demenzkranken oder Menschen mit kognitiver Behinderung, so berichteten manche Arbeitskräfte aus dem Pflegebereich, kann es zudem vorkommen, dass sie sich vor deren Augen befriedigen. Dadurch entsteht eine Grauzone, ein vor allem für die Pflegenden unangenehmer Bereich, der zwischen den Beteiligten allerdings noch zu selten aufgegriffen wird. Vor allem für Erwachsene, die ihre eigenen Eltern pflegen, ist deren Sexualität oft von vornherein ein Tabuthema. Derartige Bedürfnisse und Ereignisse werden meistens peinlich totgeschwiegen. Aber selbst professionelle Pflegekräfte finden kaum die Sprache zu den beschriebenen Situationen.

Ist die Pflege ein sexuell befreiter Raum?

Hierzu zeichnet sich aber allmählich ein Wandel ab, der unter anderem durch die UN-Behindertenrechtskonvention angestossen wird. Diese besagt nämlich, dass auch Menschen mit Behinderung ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung haben. Diese Autonomie ist zu wahren – darin sind sich die meisten Pflegenden einig. Es stellt sich vielmehr die Frage des Wie. Ein Pflegender hat selbstverständlich nicht die Aufgabe, den pflegebedürftigen Menschen zur sexuellen Erfüllung zu verhelfen. Gleichzeitig übernimmt er aber die Verantwortung dafür, den schwerbehinderten Menschen in seiner Selbstbestimmung zu unterstützen sowie Wege aufzuzeigen, damit sich die Grenzen zwischen den Bereichen Sexualität und Pflege nicht weiter verwischen.

Offenheit in einer respektvollen Sprache

Daher sollten Pflegebedürftige und Pflegende offen auf die Sexualität zu sprechen kommen und gemeinsam Möglichkeiten erörtern. Dabei ist unbedingt auf die Sprachwahl sowie auf die Privatsphäre zu achten. Der GIP hat dazu eine Liste von Tipps für Pflegekräfte veröffentlicht. Die Sexualität muss für pflegebedürftige Menschen keine Sackgasse bedeuten – es gibt durchaus Wege. Zum Beispiel muss die Intimsphäre des pflegebedürftigen Menschen respektiert werden, indem man etwa vorher anklopft und um Einlass bittet. Oder dass er bei vereinbarten Uhrzeiten nicht gestört wird. Auch die Möglichkeit von sexuellen Hilfsmitteln sollte gemeinsam mit dem Betroffenen besprochen werden. Zudem gibt es für Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit, eine Sexualbegleitung in Anspruch zu nehmen – auch wenn manche Einrichtungen und insbesondere viele Angehörige sich schwer damit tun und Betroffene die Kosten selbst tragen müssen.

Ausbildung und Beratung zum Thema Sex in der Pflege

In der heutigen Pflegeausbildung werden bereits sexuelle Bedürfnisse von pflegebedürftigen Menschen behandelt und jährliche Teilnahmen an Fortbildungen zu dieser Thematik müssen, laut Heimaufsichtsprüfungskatalog, zumindest von stationären Pflegekräften nachgewiesen werden. Für pflegende Angehörige wiederum gibt es sicherlich einen Bedarf an speziellen Seminaren zum Umgang mit der Sexualität derer schwerbehinderten Nächsten.

Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner hat zum Thema sexuelle Belästigung in der Pflege eine umfangreiche Broschüre herausgegeben: «Verstehen Sie keinen Spass, Schwester?». Darin erfahren interessierte Pflegende unter anderem über ihre Möglichkeiten, mit derartigen Problemen umzugehen beziehungsweise sie erst gar nicht aufkommen zu lassen.


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