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Partnersuche mit kognitiver Behinderung

Die Tage werden wieder länger und die dunkle Jahreszeit neigt sich dem Ende. Der Frühling steht vor der Tür, verleiht Tatendrang und weckt Gefühle. Viele haben sich zum Jahreswechsel vorgenommen, endlich eine:n passende:n Partner:in zu finden und die Tage gemeinsam zu verbringen. Möglichkeiten neue Leute kennenzulernen gibt es viele und können nach Bedarf genutzt werden. Für Menschen mit Behinderungen gestaltet sich die Partner:innen-Suche sehr viel anspruchsvoller. Zum jetzigen Zeitpunkt zeigt sich, dass eine Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen, auch in Bezug auf Partnerschaft, Sexualität und Liebe, nach wie vor gegeben ist.

Ein Paar spaziert händchenhaltend durch eine verschneite Winterlandschaft. | © shutterstock

Begegnungsangebote für Menschen mit kognitiver Behinderung. (shutterstock)

In der Schweiz leben rund 80'000 Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Dass auch diese 80'000 genauso das Bedürfnis nach Liebe, Zuneigung und Geborgenheit haben, ist glücklicherweise mittlerweile bekannt. Angebote, welche diese Bedürfnisse angemessen aufgreifen und umsetzen, gibt es aber immer noch nur wenige.

Fehlende Angebote und die grossen Verlierer der Pandemie

Oft greifen Menschen mit einer geistigen Behinderung auf ein eher kleines soziales Netzwerk zurück und sind im Knüpfen von neuen Kontakten auf Unterstützung angewiesen. Neue Begegnungen, beispielsweise am Arbeitsplatz oder im Bekanntenkreis, finden eher selten statt. Lässt sich in der eigenen Institution niemand passendes finden, wird es schnell schwierig jemand Neues kennenzulernen.

Das Angewiesensein auf Begleitung im Alltag kann zu einem Abhängigkeitsverhältnis führen, was die Gefahr mitbringt, dass Entscheidungen eher für eine Person getroffen werden als mit ihr. Die grosse Angst vor einer Ausbreitung des Covid-Virus führte auch dazu, dass Institutionen die Förderung von neuen Bekanntschaften eher vermieden haben als sie zu unterstützen. Dies auch aufgrund der Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit, welches Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung zur Risikogruppe erklärte und diese so während Monaten in ihren Institutionen isolierte.

Viele bestehende Angebote, wie Discos, Freizeitanlässe und Veranstaltungen, welche auch zum Kennenlernen von neuen Menschen genutzt worden sind, mussten während der letzten zwei Jahre immer wieder pausieren und konnten, pandemiebedingt, nicht stattfinden. Für viele Menschen mit Behinderungen sind dies aber sehr wichtige und geschätzte Veranstaltungen, welche eine willkommene Abwechslung zum Alltag bieten. Zudem – und das ist besonders wichtig – werden sie eben auch genutzt, um neue Kontakte zu knüpfen (lesen Sie dazu auch Barrierefreies Nachtleben – Party für Menschen mit Behinderungen). 

Welche Bedürfnisse bestehen in Bezug auf selbstbestimmte Sexualität von Menschen mit Behinderungen?

Mittlerweile lässt sich auf zwei verschiedene Forschungsprojekte zurückgreifen, welche die Bedürfnisse von Menschen mit kognitiver Behinderung erfasst haben und diesbezüglich Handlungsempfehlungen und Ideen zur Umsetzung liefern. Die Hochschule Luzern hat im Jahr 2016 das Forschungsprojekt «Sexuelle Gesundheit für Menschen mit kognitiven Einschränkungen: Angebots- und Bedürfnisabklärung zu öffentlich zugänglichen Dienstleistungen» veröffentlicht. Im vergangenen Jahr hat auch die Berner Gesundheit ein Projekt veröffentlicht mit dem Titel: «Sexualität selbstbestimmt leben mit Beeinträchtigung». Die breit angelegten Erhebungen dienen als Grundlage für die Entwicklung von bedarfs- und bedürfnisorientierten Angeboten zum Thema Sexualität.

Beide Projekte kommen zum Schluss, dass nebst dem Bedürfnis nach Begleitung im Umgang mit eigenen/anderen Grenzen, auch der Wunsch geäussert wird, die digitalen Medien zu nutzen, um soziale Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Zur besseren Nutzung der vielfältigen Chancen digitaler Medien braucht es vor allem einen barrierefreien Zugang, Medienschulung sowie Begleitung. 

Einen Freund oder eine Freundin zu haben, ist ein grosser Wunsch

Beziehungsthemen im Alltag werden selten aktiv angegangen, obwohl die meisten sich in diesem Thema Unterstützung wünschen. Themen rund um Liebe, Freundschaft und Sexualität sollen fester Bestandteil des Alltags sein. Leider wird aber immer noch häufig die Erfahrung gemacht, dass wenn nicht explizit danach verlangt wird, lieber nichts unternommen wird. Oft hat es mit dem Fehlen von passenden Angeboten und der daraus resultierenden Ratlosigkeit der Begleitpersonen zu tun. Auch handelt es sich um ein höchstpersönliches Recht und aus Angst zu weit zu gehen, wird teilweise auch nicht weit genug gegangen. 

Eine Frau mit kognitiver Behinderung kuschelt draussen mit einem kleinen Hündchen. | © shutterstock Der Wunsch nach Liebe, Freundschaft und Sexualität ist bei allen Menschen gross. (shutterstock)

Exklusive Angebote im Zeitgeist der Inklusion

Davon ausgehend, dass viele Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen den Wunsch nach einer liebevollen und zärtlichen Beziehung hegen, jedoch auf Unterstützung angewiesen sind, müssen angemessene Angebote geschaffen werden. Gängige Angebote zur Online-Partner:innen-Suche sind zwar vielfältig und stehen grundsätzlich allen Menschen zur Verfügung, sie tragen allerdings der Tatsache nicht Rechnung, dass Menschen, welche sich im sozialtherapeutischen Setting bewegen, in der Beziehungsgestaltung auf Unterstützung angewiesen sind und eine vulnerable Gesellschaftsgruppe darstellen.

Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung sind nach wie vor stark betroffen von sexueller Ausbeutung und Gewalt und leider lassen Personen, welche mit einer ungleichen Machtsituation nicht angemessen umgehen können, es noch nicht zu, dass sich alle bedenkenlos auf solchen Plattformen bewegen können.

Umso wichtiger ist es, möglichst vielfältige und begleitete Begegnungsangebote zu schaffen, wo sich Menschen auf Augenhöhe begegnen können und bei Schwierigkeiten unterstützt werden. 

Trotz aller Hindernisse gibt es auch Angebote und Chancen

Die meisten Angebote, welche sich diesem Themenbereich widmen und sich an Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen richten, werden durch sehr engagierte Menschen und Vereine belebt und kämpfen leider, oft aus finanziellen Gründen, um den Fortbestand. Ein Grossteil dieser Arbeit wird freiwillig erbracht und viele Projekte kämen ohne diese nicht zustande. Sie alle haben den Wunsch nach sozialer Teilhabe und attraktiven Angeboten gehört und entsprechende Angebote geschaffen und Projekte ins Leben gerufen. 

Herz in einer Sprechblase als Icon. | © Dein Date

Noch ganz neu und einzigartig in der Schweiz ist die Online Dating Plattform dein Date – Die Partnerbörse für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Die Plattform bietet Menschen mit kognitiven Behinderungen die Möglichkeit einer autonomen Vernetzung in einem geschützten Rahmen, Fachpersonen bieten Unterstützung und helfen bei Schwierigkeiten individuell weiter. User:innen begegnen sich unabhängig der Distanz und können Kontakte in der ganzen Schweiz knüpfen. Chat-Funktionen, wie Textnachrichten, Sprachnachrichten oder auch Video-Calls ermöglichen ein Kennenlernen auf einfache und zeitgemässe Weise. Unbedingt reinschauen! 

Die regionalen insieme-Vereine bieten in der ganzen Schweiz zahlreiche Freizeit- und Ferienaktivitäten für Menschen mit einer geistigen Behinderung an. Für erwachsene Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung gibt es eine grosse Auswahl an Ferien- und Freizeitaktivitäten und Bildungskursen. Diese ermöglichen den Teilnehmenden, ausserhalb des angestammten Umfelds soziale Kontakte zu pflegen, neue Fähigkeiten zu erlernen und Aktivitäten nachzugehen. Das Angebot der insieme-Vereine ist auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden ausgerichtet und erlaubt so eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Ein Besuch der insieme Website lohnt sich auf alle Fälle.

Icon von einer Frau und einem Mann, dazwischen ein kleines Herz. | © dein Date

Eine grosse Bereicherung im Nachtleben und ideal, um neue Kontakte zu knüpfen, sind die verschiedenen barrierefreien Discos, die in der ganzen Schweiz stattfinden und mit sehr viel Herzblut organisiert werden. Diese Veranstaltungen unterscheiden sich nicht wesentlich von anderen, sie alle wollen Menschen eine möglichst ausgelassene und fröhliche Zeit bescheren, einige bieten aber einen speziellen Service. Verständnisvolles und geduldiges Personal, rollstuhlgängige Räumlichkeiten, kein Stroboskop Licht, gut tanzbare Musik und ein reger Barbetrieb sind Programm. 

Die LaViva Partys finden zum einen in Zürich im Labor5 und zum anderen in der Heitere Fahne in Wabern bei Bern statt. Weitere Infos und Veranstaltungsdaten findet man auf Facebook.

Icon von zwei Sprechblasen, wobei eine ein Herz zeigt und die andere drei Punkte. | © Dein Date

Die Heitere Fahne in Wabern bei Bern bietet ihren Gästen einen möglichst autonomen Besuch und stellt einen Kulturportier zur Verfügung. Der Kulturportier ermöglicht Menschen mit Behinderungen den selbstständigen Besuch des Restaurants, einer Theatervorstellung, eines Konzerts, einer Party oder einer Ausstellung. Er oder sie empfängt die Besucher:innen beim Eingang, begleitet sie beim Essen und Trinken, führt sie in den Kulturanlass ein und besucht diesen gemeinsam mit ihnen.

Icon einer Rakete. | © Dein Date

In Aarau im Flösserplatz lässt sich die DISCO!MANIA finden. Der Verein insieme Aarau-Lenzburg organisiert die Partys in Zusammenarbeit mit dem Flösserplatz Aarau. Eine Bar und DJ-Crew aus Personen mit und ohne Beeinträchtigung sorgt für den professionellen Betrieb.

Icon eines Pfeils mit Herzspitze. | © Dein Date

In der Ostschweiz ist das Salzhaus in Winterthur eine beliebte Adresse. Dort findet, in regelmässigen Abständen, die D!SCO für Menschen mit und ohne Behinderungenstatt. Die D!SCO ist speziell ausgerichtet auf Menschen, die nicht einfach so und ohne Begleitung in den Ausgang wollen oder können – und deren Familien, Betreuer und Freundinnen. Durch Fachpersonen im Veranstaltungsteam wird sichergestellt, dass den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung in allen Bereichen der D!SCO Rechnung getragen, aber ebenso ein ungezwungenes Ausgangserlebnis angeboten wird.

Icon von zwei Herzen, wobei das eine etwas grösser ist als das andere. | © Dein Date

In den Städten Basel und Bern öffnen die Herzblatt Cafés ihre Türen und gelten als Single-Treff für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Im Herzblatt-Café kannst du plaudern und flirten, bei Spiel, Kaffee und Kuchen. Ist man im Raum Bern auf der Suche nach der grossen Liebe oder dem kleinen Flirt, dann lässt man sich vielleicht beim Herzblatt in der Heitere Fahne den Kopf verdrehen. Im Raum Basel findet man den neuen Schwarm vielleicht bei einem nächsten Herzblattkaffee in Liestal. Organisiert werden die Cafés durch die jeweiligen insieme Vereine. 

Begleitangebote und Fachstellen

Nichtsdestotrotz werden viele Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen weiterhin auf Unterstützung angewiesen sein, auch in der Partner:innen-Suche. Sie brauchen Personen in ihrem Umfeld, die auch diese höchstpersönlichen Bedürfnisse wahrnehmen, auf Möglichkeiten aufmerksam machen und angemessene Begleitung bieten. Verschiedene Fachstellen in der Schweiz haben sich auf die Begleitung von Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung und sexualitäts- und partnerschaftsbezogenen Themen spezialisiert und decken damit ein gefragtes und wichtiges Angebot ab. Auf, dass sich viele kennen und verlieben lernen!

Wir danken Madeleine Zehnder von Sexgüsi – Verein für sexuelle Gesundheit von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen ganz herzlich für den Fachartikel. Madeleine Zehnder ist ausserdem ehrenamtliche EnableMe Fachperson in den Bereichen Partnerschaft und Sexualität.


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