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ME/CFS: mehr als nur Erschöpfung

ME/CFS ist eine neuroimmunologische Erkrankung, die in jedem Alter auftreten kann. Betroffene können in unterschiedlichen Graden von der Erkrankung betroffen sein. In einigen Fällen können, Betroffene das Haus nicht mehr verlassen oder sind bettlägerig.

Eine Frau sitzt an einem Tisch, den Kopf darauf gelegt, sie sieht sichtlicht erschöpft aus. | © pexels Betroffene sind nicht einfach nur erschöpft, sondern im Alltag eingeschränkt. (pexels)

In der Schweiz sind zwischen 16'000 und 24'000 Menschen betroffen, rund 60 Prozent von ihnen sind arbeitsunfähig, mindestens ein Viertel bettlägerig und pflegebedürftig. 
 

Inhaltsverzeichnis:

  1. Symptome bei ME/CFS
  2. Pacing
  3. Ursache von ME/CFS
  4. Diagnose von ME/CFS
  5. ME/CFS bei Kindern
  6. Erfahrungsberichte
  7. Austausch für Betroffene

ME/CFS bedeutet ausgeschrieben: Myalgische Enzephalomyelitis und Chronisches Fatigue Syndrom. Es handelt sich hierbei jedoch um ein komplexes Krankheitsbild. Dieses ist nicht zu verwechseln mit Fatigue als Begleitsymptom. ME/CFS kann plötzlich oder schleichend beginnen. 75 Prozent der Betroffenen erkranken nach einem fieberhaften Infekt. Am häufigsten tritt ME/CFS in der Jugend oder im mittleren Alter auf. Dabei sind Frauen 3-mal häufiger von ME/CFS betroffen als Männer. ME/CFS ist nicht heilbar.

Der internationale ME/CFS Tag finde jährlich am 12. Mai statt.

Symptome bei ME/CFS

Im Folgenden ist eine Liste mit Symptomen zu finden. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und nicht jede Person muss von allen Symptomen betroffen sein. Jedoch hat man sich bei dieser Auflistung an den häufigsten Symptomen orientiert.

Kernsymptome:

  • Post-Exertional Malaise
  • Fatigue

Schlafstörungen:

  • Einschlafstörungen
  • Durchschlafstörungen
  • veränderter Tag-Nacht-Rhythmus
  • nicht erholsamer Schlaf

Schmerzen:

  • Gelenkschmerzen
  • Muskelschmerzen
  • Kopfschmerzen

Autonome/orthostatische Symptome:

  • Orthostatische Intoleranz
  • Schwindel bei Lagewechsel
  • Herzrasen
  • extreme Blässe
  • Atemnot bei leichter Belastung
  • Darmstörung
  • Blasenstörung

Neurologische/kognitive Symptome:

  • Brain Fog
  • Wortfindungsstörungen
  • Konzentrationsstörungen
  • Wahrnehmungsstörungen
  • Sinnesstörungen
  • Bewegungskoordinationsstörungen
  • Muskelschwäche und Muskelzuckungen

Neuroendokrine Symptome:

  • gestörte Anpassung der Körpertemperatur
  • Schwitzen, fiebriges Gefühl
  • schlechte Verträglichkeit von Hitze und Kälte
  • kalte Hände oder Füsse
  • Stress wird schlechter verarbeitet

Immunologische Symptome:

  • schmerzhafte Lymphknoten
  • wiederkehrende Halsschmerzen
  • neue Allergien
  • grippeähnliche Symptome, allgemeines Krankheitsgefühl
  • Unverträglichkeit von Nahrungsmitteln, Medikamenten oder Chemikalien

ME/CFS und Post-Exertional Malaise

Das «Leitsymptom» von ME/CFS ist die Post-Exertional Malaise (PEM) oder Post-Exertional Neuroimmune Exhaustion (PENE). Dies ist eine Verschlechterung der Symptome nach kognitiver oder körperlicher Anstrengung. Nach Ruhephasen bessert sich diese Verschlechterung nicht. Von Betroffenen wird die Verschlechterung auch als «Crash» bezeichnet. Je nach Ausprägung der Symptome sorgen hierfür Tätigkeiten wie:

  • Lesen
  • Einkaufen
  • Spazieren
  • Körperpflege (Duschen, Zähneputzen, Gang zur Toilette)
  • Telefonieren
  • Kochen
  • Kontakte mit Menschen
  • Sinnesreize (Licht, Gerüche)
  • Umdrehen im eigenen Bett

Durch die orthostatische Intoleranz können ebenfalls Stehen oder Sitzen zu einer PEM führen. Daher müssen viele Patient:innen liegen.

Die Verschlechterung wirkt sich dabei wie folgt aus:

  • ausgeprägte Schwäche
  • schmerzende Muskeln (nicht zu verwechseln mit Muskelkater) und Gelenken
  • grippeähnliche Symptome
  • Kreislaufstörungen
  • allgemeine Verschlechterung des Zustandes

Dabei ist es nicht leicht den Trigger für dieses Symptom zu ermitteln, denn die Symptome treten zeitversetzt nach der Belastung auf. Es können 24 Stunden bis 48 Stunden dazwischenliegen. Dabei hält PEM unterschiedlich lange an. Sie kann bis zu mehrere Monate anhalten oder zu einer stetigen Verschlechterung führen. Damit kann sich die Belastungsgrenze weiter verschieben.

In der PEM werden folgende Symptome verstärkt:

  • Herzrasen, Blutdruckschwankungen, Schwindelgefühle, Benommenheit, Orthostatische Probleme
  • schmerzende geschwollene Lymphknoten, Halsschmerzen, Infektzeichen der Atemwege, Allergien, häufige Infekte
  • Kopf-, Muskel und Gelenkschmerzen, zuckende und krampfende Muskeln
  • Schlafstörungen
  • migräneartige Kopfschmerzen, starke Probleme bei der Konzentration und Informationsverarbeitung, Wortfindungs- und Merkstörungen, Überempfindlichkeit gegen Sinnesreize

Chronische Fatigue

Da die chronische Fatigue ebenfalls ein häufiges Symptom bei ME/CFS ist, ordnen Ärzt:innen diese ebenfalls als ein «Leitsymptom» ein. Bei ME/CFS ist die Fatigue am stärksten ausgeprägt. Betroffene verzeichnen ein Leistungsabfall von 50 Prozent. Von Betroffenen wird sie folgendermassen beschrieben:

  • Erschöpfung
  • Schwäche
  • Mangel an Energie
  • Unfähig längere Zeit zu stehen/einige Häuserblocks weit zu gehen

In ausgeprägten Fällen sind Erkrankte zu erschöpft, um:

  • Kleidung zu wechseln
  • Sich zu waschen
  • Zu sprechen

Es kann dazu kommen, dass Patient:innen bettlägerig werden oder künstlich ernährt werden müssen. Die Fatigue wird durch Schlaf- oder Ruhephasen gar nicht bis kaum gelindert.

ME/CFS und die Orthostatische Intoleranz (OI)

Dies beschreibt die Unfähigkeit den Kreislauf an eine aufrechte Position des Körpers anzupassen. Sie tritt im Stehen oder Sitzen auf und geht mit folgenden Symptomen einher:

  • Schwäche
  • Schwindel
  • Herzrasen
  • Herzklopfen
  • Hoher/niedriger Blutdruck
  • Blässe
  • Gleichgewichtsstörungen
  • Atemnot

In der aufrechten Position verschlimmern sich die Symptome, während sie sich beim Liegen wieder beruhigen und teilweise ganz verschwinden. Daher verbringen einige Betroffene ihr Leben im Liegen.

Brain Fog bei ME/CFS

Brain Fog wird als Begriff von Betroffenen verwendet, um die kognitiven Symptome von ME/CFS zu beschreiben.

Hierzu gehören:

  • Verlangsamte Informationsverarbeitung
  • Wortfindungs- und Sprachstörungen
  • Gestörtes Kurzzeitgedächtnis
  • Eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit

Zusätzlich können Wahrnehmungs- und sensorische Störungen auftreten:

  • Desorientierung
  • Räumliche Unsicherheit
  • Verschwommene Sicht
  • Fokussierungsprobleme

Die kognitiven Symptome sind häufig stark ausgeprägt und beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen. Es kann dazu führen, dass sie nicht mehr in der Lage sind einen Film zu schauen oder gar zu sprechen. Durch kognitive Anstrengung verstärkt sich Brain Fog. Ebenfalls sinkt die kognitive Leistung nach körperlicher Anstrengung oder Stress.

Doch was ist der Grund für Brain Fog? Eine Erklärung könnte sein, dass bei ME/CFS Betroffenen eine Minderdurchblutung des Gehirns stattfindet. Das bedeutet, dass die Sauerstoffversorgung nicht ausreichend ist. Dieser verminderte Sauerstoff könnte ebenfalls ein Grund sein für einen regional reduzierten Hirnstoffwechsel. Ebenfalls werden bei ME/CFS Patient:innen eine verstärkte Aktivierung von Immunzellen im Nervensystem wahrgenommen. Dies ist ein Hinweis auf eine chronische Entzündung im Nervensystem. Diese nennt man auch Neuroinflammation. Hierfür könnte ebenfalls der Sauerstoffmangel ein Grund sein.

Ebenfalls haben ME/CFS Betroffene eine gestörte Gefässerweiterung. Diese ist jedoch wichtig für die Blutzirkulation im Körper. Es wurden bei den Betroffenen Autoantikörper gegen gefässweitenderegulierende Rezeptoren gefunden. Diese Autoantikörper werden in einigen Studien auch bei Nicht-Betroffenen und in anderen Studien selten bis gar nicht bei Nicht-Betroffenen gefunden. Der Grund für die unterschiedlichen Ergebnisse bei den Tests können unterschiedlich gewählte Testverfahren sein.

Darüber sprechen hilft

Ein Leben mit ME/CFS bringt verschiedene Herausforderungen mit sich. Sie sind jedoch nicht alleine! Sich mit anderen Betroffenen auszutauschen hilft, neue Lösungen und Perspektiven zu finden. Teilen Sie Fragen und Herausforderungen bei einem persönlichen Peer-Austausch oder stellen Sie Ihre Fragen anonym und kostenlos in unserer Community.

Zu den Austausch-Programmen

Pacing

Pacing ist ein Aktivitäts- und Energiemanagement, welches die Häufigkeit und Schwere der Crashs reduzieren soll. Ebenso soll es eine dauerhafte Symptomverschlechterung vermeiden. Dies kann zu einer Stabilisierung der Erkrankung führen. Sinn von Pacing ist es schonend mit sich selbst und seinen Energieressourcen umzugehen und innerhalb der Belastungsgrenzen zu bleiben. Sollte es doch zu einem Crash kommen, so sollten Sie die Aktivitäten danach herunterfahren. Bei schwer Erkrankten ist es mit dem Pacing kaum möglich einen Crash zu vermeiden. Dies liegt daran, dass schon kleine Aktivitäten, wie essen, waschen oder leichte Bewegungen einen Crash verursachen können. Die Symptome und deren Ausprägungen sind von Person zu Person unterschiedlich. Daher müssen Sie individuell schauen welche Aktivitäten ihre Belastungsgrenze nicht überschreiten. Dies ist nicht einfach, da nicht nur körperliche Aktivitäten, sondern auch kognitive und emotionale Anstrengung ausreichen können. Und gerade emotionale Anstrengung ist schwer einzuplanen oder einzukalkulieren. Ebenfalls kann die Belastungsintoleranz über den Tag verteilt schwanken.

Folgende Überlegungen können hilfreich sein:

  1. Priorisierung von Aufgaben
  2. Delegieren von Aufgaben
  3. Verändern von Aufgaben
  4. Abwechseln der Aufgaben
  5. Auf Warnsymptome achten
  6. Tätigkeiten abbrechen

Erholungen und Schonungen sollten im Rahmen von Pacing ebenfalls eingeplant werden. In dieser Zeit sollten Betroffene keiner weiteren Aktivität nachgehen. Das bedeutet kein Radio, kein Fernseher oder Social Media.

Um Reize zu minimieren kann folgendes hilfreich sein:

  • Schlafmasken
  • Sonnenbrillen
  • Isolationskopfhörer

Ebenfalls können ein Aktivitätstagebuch oder ein Schrittzähler bei der Identifizierung von Aktivitäts-Obergrenzen hilfreich sein. Schwierig wird es bei der Berücksichtigung der emotionalen Energie. Ebenfalls hilfreich ist ein Herzfrequenzmesser. Einen Pacing Guide finden Sie hier.

Aufnahme einer Frau, die seitlich und zugedeckt im Bett liegt und schläft. | © unsplash Mangelnde Energie kann bei Betroffenen zu einem regelrechten Crash führen. (unsplash)

Ursache von ME/CFS

ME/CFS beginnt häufig schleichend oder plötzlich nach einem Virusinfekt. Einige Auslöser sind bekannt:

Diagnose von ME/CFS

ME/CFS wird in der medizinischen Ausbildung nebensächlich behandelt. Viele Ärzt:innen kennen das Krankheitsbild nicht. Somit kann es für Betroffene Jahre dauern, bis die richtige Diagnose gestellt wird. Gerade das Symptom Fatigue kommt auch bei Tumorerkrankungen oder chronischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose (MS) vor, sodass diese vorrangig ausgeschlossen werden müssen. Es gibt auch keinen spezifischen Laborwert, mit dem ME/CFS diagnostiziert werden kann. Einige Werte sind verändert und können dabei die Diagnostik abrunden.

Die Diagnostik wird anhand von verschiedenen Fragebögen von erfahrenen Ärzt:innen erstellt. Hierbei sollte die Verwendung der Kanadischen Konsensus-Kriterien oder der Internationalen Konsensus-Kriterien Standard sein. Um den Schweregrad zu ermitteln, eignen sich die Bell-Skala und die Chalder-Fatigue-Scale.

Eine Anlaufstelle ist die ME/CFS-Sprechstunde der Immundefekt-Ambulanz an der Charité Berlin.

Ausserdem hat die deutsche Gesellschaft für ME/CFS in Kooperation mit der Charité Berlin eine Plattform erstellt. Dort finden Ärztinnen und Ärzte nicht nur eine akkreditierte Videoausbildung, sondern auch verschiedene Fachinformationen. Machen Sie also ihre behandelnde Fachperson darauf aufmerksam.

Betroffene haben ebenfalls eine Liste mit Fachpersonen angelegt. Diese wird privat betrieben.

Diagnose ME/CFS mit Kanadischen Konsensus-Kriterien

Hierbei handelt es sich um einen Symptomfragebogen, mit dem die Diagnose ME/CFS gestellt werden kann. Dieser Fragebogen sollte nur von erfahrenen Fachpersonen genutzt werden. Bei Erwachsenen müssen die Symptome mindestens ein halbes Jahr bestehen. Bei Kindern müssen die Symptome mindestens 3 Monate bestehen.

Symptome, die in diesem Fragebogen beachtet werden, sind:

  • Fatigue
  • Belastungsintoleranz (PEM)
  • Schlafstörungen
  • Schmerzen
  • neurologische bzw. kognitive Symptome
  • autonome Symptome
  • neuroendokrine Symptome
  • immunologische Symptome

Diagnose ME/CFS mit den Internationale Konsenskriterien

Dies ist ein weiterer Symptomfragebogen. Auch diesen sollten nur Ärzte oder Ärztinnen nutzen. Sie bauen auf den Kanadischen Konsensus-Kriterien auf. Der Unterschied ist jedoch, dass keine 6 Monate zur Erstellung der Diagnose vergehen müssen. Dabei werden folgende Symptome berücksichtigt

  • Belastungsintoleranz (PEM)
  • Neurologische Beeinträchtigungen
  • immunologische/gastrointestinale/urogenitale Beeinträchtigungen
  • Beeinträchtigungen von Energieproduktion und Energietransport

Bell Skala ME/CFS Schweregrad

Betroffene können mit dieser Skala die Schwere ihrer Symptome einschätzen. Sie reicht von 100 Punkten (gesunder Zustand) bis zu 0 Punkten (Pflegebedürftigkeit).

Chalder Fatigue Skala: Fatigue Schweregrad bei ME/CFS

Mit diesem Fragebogen wird die Ausprägung von Fatigue überprüft. Dieser Fragebogen fokussiert sich auf 11 Fragen, die die verschiedenen Auswirkungen der Fatigue auf die Leistungsfähigkeit überprüfen. Die Antworten machen die Fatigue messbar.

ME/CFS bei Kindern

Da auch schon Kinder und Jugendliche von ME/CFS betroffen sein können, wirkt sich dies auf das schulische Leben aus. Oftmals sind diese Kinder und Jugendlichen nicht oder nur eingeschränkt in der Lage, die Schule zu besuchen.  Dies kann wiederum zu schul- oder sozialrechtlichen Problemen führen. An diesem Punkt kann es bis hin zu einer Androhung des elterlichen Sorgerechtsentzugs kommen.

Kinder und Jugendliche machen einen kleineren Teil der ME/CFS Erkrankten aus. Ebenfalls unterscheiden sich die Symptome der Kinder und Jugendlichen von denen der Erwachsenen. Beispielsweise ist die Orthostatische Intoleranz höher. Da sich der Schlafrhythmus während der Pubertät verändert, ist es schwieriger Schlafstörungen zu diagnostizieren. Ebenso sind Schmerzen in Gelenken und Muskeln nicht so weit verbreitet wie bei Erwachsenen mit ME/CFS. Dafür haben sie vermehrt Kopf- und Bauchschmerzen. Die Diagnose kann ebenfalls dadurch erschwert werden, dass Kinder Schwierigkeiten bei der Beschreibung der Schmerzen haben.


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