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Politikerin mit Behinderung: Sprachtalent Helene Jarmer

Politikerinnen und Politiker müssen vor allem eines können: Überzeugend sprechen. Die erste gehörlose Frau im österreichischen Nationalrat, Helene Jarmer, beherrscht diese Kunst auf ganz besondere Art, nämlich in Gebärdensprache.

Versammlungssaal der Politiker:innen. | © unsplash

Menschen mit Behinderungen sollten in der Politik vertreten sein. (unsplash)

Das war im Juli 2009 eine einschlagende Nachricht: «Eine gehörlose Frau im Nationalrat von Österreich!» Die grüne Politikerin setzt sich gezielt und erfolgreich für die Integration von Menschen mit Behinderung ein. Jarmer ist zugleich auch die erste gehörlose Politikerin in einer solchen Position im gesamten deutschsprachigen Raum. Von 2009 bis 2017 war sie im österreichischen Parlament.   

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Ein Mann hält den Daumen hoch. | © pexels

Barrierefreier Nationalrat

Dass für Jarmer ihre Gehörlosigkeit keine Behinderung darstellt, machte sie gleich bei ihrer Antrittsrede klar. Sie drehte den Spiess um und stellte erst ihre Gebärdensprachdolmetscherin vor, mit dem Ziel: «dass Sie meine Rede jetzt barrierefrei mitverfolgen können.»    

Seit dieser Rede im Juli 2009 hat die junge Mutter schon vieles erreicht. Ein ganz besonderer Erfolg ist, dass alle ORF-Fernsehübertragungen aus dem Parlament auch in Gebärdensprache (über den Satellitensender ORF 2 Europe) angeboten werden. «Damit wurde eine Bewusstseinsbildung angestossen. So konnte ein neues Selbstverständnis gegenüber der Gebärdensprache entstehen», sagt Helene Jarmer gegenüber der Süddeutschen Zeitung ein Jahr nach der Wahl und ergänzt: «Auch das bedeutet Barrierefreiheit: Zugang zu Information und Kommunikation.»

«Gehörlose zahlen auch Steuern» 

Damit alle ihre Beiträge für ihre hörenden Kollegen barrierefrei sind, stehen der Politikerin sechs Dolmetscherinnen zur Verfügung. Dass dafür jährlich 20‘000 Euro vom Staat bezahlt werden, empörte die Medien. Jarmers Kommentar dazu: «Gehörlose zahlen schliesslich auch Steuern.»

Zirka 90% ihrer Arbeitszeit wird die Abgeordnete von ihren Dolmetscherinnen begleitet, so auch beim Telefonieren oder Zwischengesprächen mit ihren Kollegen.     

Die anfänglichen Berührungsängste waren schnell verloren: «Meine Kollegen im Nationalrat schnappen sich meine Dolmetscherin, kommen auf mich zu und legen los. Kurz nach Amtsantritt wäre das noch undenkbar gewesen.»

Sowieso eine Vorreiterin

Jarmers Einzug ins Parlament war jedoch nicht ihr erster Vorreiterposten in Österreich. Alles fing damit an, dass sie nicht in eine Schule für Hörbehinderte ging wie damals üblich, sondern sich an einer Regelschule durchkämpfte. Das habe sich gelohnt, meint Jarmer, da damals die Gehörlosenschulen noch nicht gut waren.

Dass sich das änderte, dazu trug sie schliesslich auch gleich selbst bei. Nach erfolgreichem Abschluss als Sonder- und Heilpädagogin wurde sie die erste gezielt eingesetzte gehörlose Lehrerin am Bundesinstitut für Gehörlosenbildung in Wien. Gleichzeitig arbeitete sie bei der Gehörlosenambulanz mit und war Generalsekretärin des Österreichischen Gehörlosenbundes. Später wurde sie dessen Präsidentin. Durch zahlreiche Lehraufträge an der Universität von Wien trug sie zur Sensibilisierung der Gesellschaft für die Belange der Gehörlosengemeinschaft bei.

Chancengleichheit für alle

Auch im Parlament ist Sensibilisierung eine wichtige Aufgabe für Jarmer. Sie kämpft gegen Klischees und Barrieren für Menschen mit Behinderungen im Alltag. Und für Chancengleichheit, jeder soll am Leben teilhaben können. «In meinem Fall heisst das eben, dass ich eine Dolmetscherin an meiner Seite habe», sagt Jarmer. Für diese Chancengleichheit ist Jarmer Mitglied in mehreren Ausschüssen, zum Beispiel im Ausschuss für Arbeit und Soziales und im Unterrichtsausschuss. Vor allem die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen liegt Jarmer am Herzen. Österreich sei von einem inklusiven Schulsystem noch weit entfernt.   

«Die Konsequenzen getrennter Bildung sind eine mangelnde Inklusion in der Gesellschaft, schlechte Berufschancen und eine hohe Armutsgefährdungsrate. Meist folgt auf die Sonderschule die sogenannte Beschäftigungstherapie, dies ist eine der schlimmsten Auswirkungen eines aussondernden Bildungssystems», erläutert Jarmer und weist auf die Verpflichtungen hin der UN-Behindertenkonvention. «Diese Aussonderung muss so rasch als möglich beendet werden», fordert Jarmer. Mit ihrem Ehrgeiz wird sich die erfolgreiche Politikerin auch in Gebärdensprache Gehör verschaffen.


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