Job und Ausbildung mit Behinderung – Fragen und Antworten
Der (Wieder-)Eintritt in den Arbeitsalltag wirft viele Fragen auf. Wann und wie soll ich meine Behinderung bei einer Bewerbung erwähnen? Was kommuniziere ich gegenüber meinen Arbeitskolleg:innen? Was ist, wenn ich mich aufgrund meiner Behinderung neu orientieren muss oder möchte? Diese und andere Fragen beantwortet unser Fachmann Lukas Fischer. Lukas Fischer ist Leiter Grafikwerkstatt und Kommunikation bei der Mathilde Escher Stiftung.

Auch Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf Arbeit. (Gesellschaftsbilder.de)
Da gibt es wohl kein Richtig oder Falsch. Deshalb kann ich hier nur meine persönliche Meinung wiedergeben. Wichtig scheinen mir folgende Überlegungen: Grundsätzlich versuche ich bei einer Bewerbung den künftigen Arbeitgeber mit meinen Fähigkeiten zu überzeugen. Wenn die Behinderung oder Krankheit keinen Einfluss auf die Arbeit hat, muss sie meines Erachtens auch nicht zwingend erwähnt werden. Wenn die Behinderung oder Krankheit aber einen konkreten Einfluss auf die Arbeit hat, muss ich sie früher oder später erwähnen. Zum Beispiel: Wenn ich in einem handwerklichen Beruf keine schweren Gegenstände heben darf. Oder, als Rollstuhlfahrer:in werde ich irgendwann im Bewerbungsprozess die Rollstuhlgängigkeit des Gebäudes ansprechen müssen.
Grundsätzlich würde ich eine Einschränkung eher erst im persönlichen Gespräch erwähnen. Aber: Viele Arbeitgebende googeln die Bewerber:innen. Wenn Sie auf Social Media Ihre Behinderung thematisieren oder sie ersichtlich ist, dann besser gleich ansprechen.
Wenn Sie eine Einschränkung thematisieren, gehen Sie aber auch gleich auf Befürchtungen ein oder bieten Sie gleich Lösungen an. Zum Beispiel: «Ich bin blind, aber mit meinen Hilfsmitteln ist mir die Arbeit am Computer problemlos möglich.» Oder: «Ich brauche Arbeitsplatzanpassungen. Diese werden aber von der IV übernommen.»
Diskussionen in der Community
Auch hier gibt es wohl kein Richtig und Falsch. Meine Meinung: Brauchen Sie Hilfestellungen von Mitarbeitenden? Dann ansprechen. Wenn nicht, dann hängt es von der persönlichen Beziehung ab.
Zuerst ansprechen. Vielleicht sind sich die Leute gar nicht bewusst, dass Sie etwas als ungerecht empfinden. Im besten Fall werden sie froh sein um den Hinweis.
Wenn das nichts nützt, ziehen Sie eine Vertrauensperson bei: Das können Vorgesetzte oder andere Mitarbeitende sein. Vielleicht hat der Betrieb eine Ansprechperson bei Grenzverletzungen oder Mobbing etc.
Stehen Sie vor dem Übergang ins Berufsleben?
Dann ist das myAbility Talent® Programm genau das Richtige für Sie! Das Karriereprogramm für Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen unterstützt Sie beim Einstieg ins Berufsleben. Coachings zur Lebenslaufgestaltung und Selbstpräsentation bereiten Sie optimal auf Bewerbungssituationen vor.
Grundsätzlich haben alle Jugendlichen dieselben Ausbildungsoptionen: Attestausbildungen (EBA), Berufslehren mit EFZ, weiterführende Schulen.
Jugendliche mit Behinderungen können bei Berufs- und Mittelschulen einen Nachteilsausgleich beantragen. Damit sollen die behinderungsbedingten Nachteile vermindert werden. Zum Beispiel mehr Zeit bei Prüfungen oder das Verwenden von Hilfsmitteln.
Werden die Jugendlichen von der IV unterstützt, kann eine Praktische Ausbildung (PrA) INSOS absolviert werden. Mehr dazu auf Ausbildung PrA (insos.ch). Oder die IV finanziert einen Job-Coach, der die Lernenden in einer Ausbildung unterstützt. Dies nennt man Supported Education. Mehr dazu finden Sie auf Supported Employment Schweiz.
Die Hürden für eine Umschulung durch die IV sind relativ hoch. Ausführliche Informationen dazu finden Sie bei der Pro Infirmis.

Grundsätzich ist die IV dafür zuständig. Durch eine Früherfassung soll möglichst rasch eine Fachperson der IV involviert werden. Diese entscheidet dann, ob eine Frühintervention zur Erhaltung des Arbeitsplatzes oder der Arbeitsfähigkeit nötig ist. Mehr dazu finden Sie im Informationsblatt der IV Früherfassung und Frühintervention.
Es ist sicherlich sinnvoll, sich auch selber Gedanken zu machen, in welchem Beruf oder welcher Tätigkeit die Krankheit weniger einschränkend wirkt. Auf berufsberatung.ch und in den Berufs- und Laufbahnberatungszentren (BIZ) finden Sie Informationen zu den verschiedenen Berufen. Die BIZ in der Schweiz finden Sie auf BIZ - berufsberatung.ch.
Allenfalls finanziert die Schule im Rahmen des Nachteilsausgleichs Assistenzleistungen. Informieren Sie sich darüber direkt bei der Schule. Weitere Informationen dazu finden Sie bei der Pro Infirmis Aus- und Weiterbildung.
Falls die Schule keine Assistenzpersonen vermitteln kann, muss man sich die persönliche Assistenz selber organisieren. Eine gute Plattform hierfür ist die CléA Assistenzplattform.
Ich denke nicht, dass es ein Recht auf Homeoffice gibt. Ich bin aber kein Jurist. Ich plädiere aber für Überzeugungsarbeit: Arbeitgebende sollten grundsätzlich daran interessiert sein, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die ein optimales Arbeiten ermöglichen. Überzeugen Sie Ihre Vorgesetzten davon, dass sowohl Sie als auch das Unternehmen von dieser Massnahme profitieren.
Wir danken Lukas Fischer für die Offenheit und das Teilen seiner Erfahrungen. Lukas Fischer ist ehrenamtliche EnableMe Fachperson in den Bereichen Ausbildung und Arbeit.