Gehörlose Mitarbeiter:innen: Tipps für Vorgesetzte und Mitarbeitende
Menschen mit Behinderungen sind leistungsfähige und vor allem loyale Mitarbeiter. Wenn in Ihrer Firma also die Entscheidung auf eine:n gehörlose:n Kolleg:in gefallen ist – Glückwunsch! Viele hörende Menschen sind jedoch unsicher im Umgang.

Viele Vorgesetzte sind im Umgang mit Mitarbeitenden mit Hörbehinderungen überfordert. (pixabay)
Ihr Unternehmen hat soeben einen neuen Mitarbeiter eingestellt und als sich dieser Ihnen am ersten Arbeitstag vorstellen möchte, erstarren Sie sogleich: Seine Aussprache ist unverständlich und er fuchtelt mit seinen Händen wild herum. Was ist los? Ihr neuer Kollege ist gehörlos. Mit unseren Tipps werden Sie ohne Barrieren miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten können.
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Nicht-hören ist oft nicht-kommunizieren
Eine Hörbehinderung ist in erster Linie eine Einschränkung in der Kommunikation. Sprachliche Verständigung sowie Informationsvermittlung erfolgen nach wie vor zu einem Grossteil über den akustischen Weg. Und so wird der Mensch mit einem Hörproblem oft ausgeschlossen – wenn nicht Unterstützung in Anspruch genommen wird.
Für berufliche Gespräche können gehörlose Arbeitnehmer:innen Gebärdensprachdolmetscher:innen, Arbeitsassistent:innen oder Telefonvermittlungen in Anspruch nehmen. Des Weiteren werden im Job immer mehr schriftliche Kommunikationsmittel wie E-Mail oder Chatprogramme genutzt, was Menschen mit einer Hörbehinderung zu Gute kommt.
Im Beruf kommt dem Zwischenmenschlichen jedoch eine nicht unbeträchtliche Bedeutung zu und der direkte Umgang mit gehörlosen Kolleg:innen will gelernt sein. Denn aufgrund der unterschiedlichen Sprachen, des Hördefizits und der eigenständigen Gehörlosenkultur sollten hörende Vorgesetzte und Mitarbeitende über einige Dinge Bescheid wissen.
Ablesen ist schwer – Butter statt Mutter
Erst mal die Basics zur Kommunikation mit gehörlosen Menschen: Sorgen Sie für ausreichend Beleuchtung und einen angemessenen Abstand zu Ihrem Gesprächspartner – zwischen etwa einem und zwei Metern wäre in einem angemessenen Rahmen. Sehen Sie ihn beim Gespräch an und bewegen Sie Ihren Kopf nicht allzu oft hin und her, denn Ihr Gegenüber muss ja von Ihren Lippen ablesen. Wussten Sie eigentlich, dass nur etwa ein Drittel des lateinischen Alphabets eindeutig abgelesen werden kann und der Rest kombiniert werden muss?
Sprechen Sie daher langsam, deutlich und möglichst dialektfrei (normale Lautstärke reicht vollkommen). Legen Sie öfters Pausen ein und stellen Sie Rückfragen. Wiederholen Sie Nichtverstandenes, wenn nötig, mehrfach. Versuchen Sie ansonsten Synonyme zu verwenden oder tippen bzw. schreiben Sie es notfalls auf. Letzteres gilt vor allem für Namen und fremdsprachige oder spezifische Begriffe.
Schriftlich kommunizieren hilft enorm
Oft hilft es auch, zu Beginn kurz das Gesprächsthema zu erwähnen oder Ihrem Gegenüber zu bitten, Ihr Gesagtes zu wiederholen. Vor allem in der ersten Zeit kann dies mühsam und zeitraubend sein. Aber das wird in der Regel mit der Zeit besser, die gehörlose Person gewöhnt sich an Sie bzw. Ihr Mundbild und Sie werden immer vertrauter im Umgang mit ihr.
Für wichtige Gespräche oder Anweisungen kann es sinnvoll sein, diese schriftlich festzuhalten, indem Sie auf ein Papier schreiben oder indem das Gespräch gleich über E-Mail oder Chat gehalten wird. Das hat zudem den Vorteil, dass der Dialog dadurch auch dokumentiert wird – zum Nachlesen. Zudem können visuelle Elemente die Kommunikation unterstützen, etwa mit Gesten, Bildern oder Zeichnungen.
Tipps bei gehörlosen Mitarbeitenden
Wenn Sie Ihr neues Teammitglied in eine Aufgabe einweisen möchten, vermeiden Sie es, ihm diese verbal zu erklären, während Sie die Tätigkeit vormachen. Er kann ja schlecht gleichzeitig auf die Handlung sowie auf Ihre Lippen schauen. Besser wäre es, wenn Sie ihm die Aufgabe Schritt für Schritt – je nach Komplexität abwechselnd oder alles in einem Durchlauf – zeigen und erklären. Anschliessend lassen Sie die betroffene Person die gezeigte Aufgabe wiederholen und kommentieren Sie das Ergebnis, bestenfalls mit einem «Daumen hoch».
Arbeitet die gehörlose Person in einem Büro, empfiehlt es sich, seinen Arbeitsplatz so zu gestalten, dass er kommende Kolleg:innen im Blickfeld hat und nicht von hinten erschreckt werden muss. Hat er Sie trotzdem nicht bemerkt, reicht ein normales Winken, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Andere Möglichkeiten sind das Tippen auf die Schulter sowie das An- und Ausschalten des Lichts.
Gehen Sie offen damit um
Falls Ihr Kollege die Gebärdensprache beherrscht: Zögern Sie nicht, ihn nach dem Fingeralphabet oder nach Gebärden für einfache Konversationen zu fragen, wie zum Beispiel für «Guten Morgen», «Tschüss» oder «Danke».
Bei Interesse können Sie Ihre Kenntnisse nach und nach ausbauen und dadurch verbessert sich auch Ihre Kommunikation mit gehörlosen Menschen. Und wenn Sie unsicher sind: Fragen Sie Ihren Kollegen direkt, wie er die eine oder andere Situation am liebsten handhaben würde.