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Pränataldiagnostik: gegen ein Leben mit Behinderung?

Mit der Pränataldiagnostik – also vorgeburtlichen Untersuchungen – können bereits im Mutterleib Krankheiten oder mögliche Fehlbildungen und Behinderungen des Kindes festgestellt werden. Die Untersuchungen können mit schwerwiegenden Entscheidungen verbunden sein.

Bauch einer schwangeren Frau | © unsplash

Die Pränataldiagnostik stellt werdende Eltern oft vor schwerwiegende Entscheidungen. (unsplash)

Die Pränataldiagnostik ist heute in der Schweiz ein fester Bestandteil des medizinischen Angebots für Schwangere. Einerseits geht es dabei um das Wohl von Mutter und Kind. Andererseits haben die verschiedenen vorgeburtlichen Tests das Ziel der Feststellung angeborener Erkrankungen, Chromosomenanomalien wie Trisomie 21 (Down Syndrom) und genetischen Defekten.

Nicht-invasive und invasive Tests

Grundsätzlich werden zuerst nicht-invasive Tests wie die Nackentransparenz-Messung (NT) und der Ersttrimester-Test (ETT) angeboten. Beide bringen starke Anhaltspunkte, aber keine eindeutigen Resultate, ob zum Beispiel eine Behinderung wie Trisomie 21 vorliegt. Eine nahezu hundertprozentige Chance bieten hingegen invasive Tests wie die Chorionzottenbiopsie, die Fruchtwasseruntersuchung oder die Entnahme von Blut aus der Nabelschnur. Diese Zellentnahmen aus dem Körper des Fötus in der Gebärmutterhöhle sind aber immer auch mit einem kleinen Risiko verbunden, dass das Baby verletzt wird und die Mutter eine Fehlgeburt erleidet.

Umstrittener Praenatest

Dieses Risiko entfällt beim sogenannten Praena-Test: Seit Mitte 2012 sind in der Schweiz verschiedene Bluttests zugelassen, die den Eltern mit einer einfachen Blutentnahme bei der Mutter eine zuverlässige Diagnose liefern. Mit der Blutprobe lässt sich bestimmen, ob ein Fötus unter den Trisomien 13, 18 oder 21 leidet. Der Test ist ab der 9. Woche möglich, noch vor dem heute verbreiteten Ersttrimester-Test. Der Praena-Test kostet rund 1500 Franken und wird von den Krankenkassen nicht übernommen.

Ein Entscheid für oder gegen ein Kind mit Behinderung

Schnell nach Erkennung einer Schwangerschaft werden die Eltern also mit der Frage konfrontiert, welche Tests sie über die allgemeinen Vorsorgeuntersuchungen hinaus durchführen lassen wollen. Und sie müssen sich bewusst werden, wie sie je nach Ausgang der Tests reagieren wollen. Da es nur für die wenigsten feststellbaren Behinderungen eine Therapie gibt, bleibt in den meisten Fällen nur, sich für oder gegen ein Kind mit einer Einschränkung oder Behinderung zu entscheiden.

Es sind entscheidende Fragen und wichtige Entscheidungen. Die Partner sollten sich darüber unterhalten, wie sie vorgehen wollen, falls die Testergebnisse mit grosser Sicherheit darauf hinweisen, dass das Baby eine Krankheit oder Behinderung haben wird. Soll das Baby trotzdem zur Welt kommen? Würden wir es verkraften, das Baby abzutreiben? Wie können wir mit einem Kind mit Behinderung umgehen? Können wir es lieben? Haben wir die Fähigkeiten, das Kind aufzuziehen? Können wir den zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Aufwand stemmen?

Eltern mit Ultraschall | © unsplash Elternschaft kann eine grosse Herausforderung sein. (unsplash)

Auch ein Leben mit Behinderung kann ein gutes Leben sein

Helfen können bei der Beantwortung dieser Fragen auch Kontakte zu Beratungsstellen, Familienplanungsstellen oder auch andere Eltern von Kindern mit einer Behinderung. Diese werden die Probleme nicht verheimlichen, sie können aber auch aufzeigen, dass ein Leben mit einer Einschränkung durchaus ein gutes und bereicherndes Leben sein kann – für das Kind wie auch für die Familie und die Gesellschaft. 

Eigenständigen Entscheid fällen

Aus Angst vor dem Unbekannten, aus Angst, den Belastungen nicht gewachsen zu sein oder auch einfach, weil man kein behindertes Kind will, werden aber allein von den Trisomie 21-Verdachtsfällen bis zu 90 Prozent abgetrieben. Bei anderen Prognosen dürfte es etwa die Hälfte sein. Die Möglichkeiten der modernen Medizin und der Pränataldiagnostik sind Fluch und Segen zugleich. Früher kamen Kinder mit Behinderung einfach zur Welt und die Eltern mussten sich den Herausforderungen stellen. Heute sind sie weitgehend Herr über ihr eigenes Leben und nehmen nicht nur ihr Schicksal in die eigenen Hände.

Letztlich sollten sich die Eltern bei ihrem Entscheid jeglicher Einflussnahme von aussen entziehen und einen eigenständigen Entscheid fällen. Einen Entscheid, hinter dem sie in seiner fassbaren Tragweite stehen können, und den das familiäre und gesellschaftliche Umfeld gefordert ist, zu akzeptieren.

PID verschärft die Angst vor Selektion

Die Behindertenorganisationen zeigen sich generell beunruhigt ob des zunehmenden Drucks zur Selektion, ganz besonders im Zusammenhang mit der sogenannten Präimplantationsdiagnostik PID, also systematischen Embryonen-Tests bei künstlichen Befruchtungen. Danach soll bei allen künstlichen Befruchtungen, also auch bei Paaren, die an Unfruchtbarkeit leiden, gezielt und systematisch nach Embryonen mit einem «abnormen» Chromosomensatz gesucht werden dürfen. Embryonen mit Abweichungen werden dabei nicht in die Gebärmutter der Frau eingepflanzt, sondern ausgesondert. Dafür haben sich die Wissenschaftskommissionen des National- und des Ständerates ausgesprochen.

Der Bundesrat und der Ständerat wollen die Präimplantationsdiagnostik hingegen nur bei Paaren mit Veranlagung zu einer schweren Erbkrankheit zulassen. Das Geschäft kommt demnächst in den Nationalrat. Insieme hält dazu fest, die PID bedeute in jedem Fall eine Selektion von Embryonen. Sie verlange nach einer Unterscheidung zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben. Insieme fordert: «Politik und Gesetzgebung dürfen sich nicht darauf ausrichten, behindertes Leben zu verhindern. Sie müssen vielmehr die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung gewährleisten.»


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