Echtes Leben mit künstlicher Ernährung
Nicht nur Menschen im (Wach-) Koma haben das Problem, dass sie gar keine oder zuwenig Nahrung oral (durch den Mund) zu sich nehmen können. Auch viele andere Krankheitsbilder sind oftmals Grund dafür, dass Betroffene über eine Magensonde künstlich ernährt werden müssen.
In der Regel werden Menschen mithilfe einer Magensonde künstlich ernährt. (unsplash)
Es gibt insgesamt drei Arten von Magensonden. Wenn die Ursache für das Unvermögen der gewöhnlichen Nahrungsaufnahme nur von kurzer Dauer ist, wird eine Nasensonde genutzt. Wie der Name schon andeutet, wird hierbei ein dünner Schlauch durch die Nase, über den Rachen, die Speiseröhre hinunter, bis in den Magen geschoben. Diese Sonde kann ganz einfach wieder herausgezogen werden, wenn sie nicht mehr benötigt wird.
Am häufigsten wird für die künstliche Ernährung eine PEG benutzt. Dies ist eine Abkürzung für perkutan endoskopische Gastrostomie, eine Umschreibung für die Vorgehensweise bei der Anlage dieser Art von Magensonde. Wenn ein Mensch das erste Mal eine PEG bekommt, ist auf jeden Fall eine Gastroskopie (Magenspiegelung) erforderlich. Durch Bauchdecke und Magenwand wird ein Loch gestochen. Hierdurch wird ein elastischer Kunststoffschlauch eingeführt. Je nach Bauart der Sonde, wird dieser im Inneren entweder mit einer kleinen Plastikplatte oder einem aufblasbaren Ballon am herausrutschen gehindert. Letzterer bietet den Vorteil, dass im Bedarfsfall ein einfacher Wechsel durch die Einstichstelle vorgenommen werden kann, indem man den Ballon entlüftet. Vorteil einer PEG ist, dass der «Nutzer» auch weiterhin ungestört Schlucken kann.
Wenn durch den Zugang im Magen ein Schlauch bis in den obersten Abschnitts des Dünndarms (Jejunum) geschoben wird, bezeichnet man dies als Jet-PEG. Wird die Sonde direkt durch die Bauchdecke in den Dünndarm gelegt, spricht man von einer PEJ. Die letzteren beiden Verfahren sind erforderlich, wenn der Magen in seiner Funktionsfähigkeit gestört ist.
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Sondennahrung – Besonderes Essen für besondere Ansprüche
Da die Schläuche aller Arten von Ernährungssonden sehr dünn sind, kann man hierdurch nur schwerlich Fischstäbchen, Bratkartoffeln oder Pizza verabreichen. Es gibt allerdings PEGs mit einem etwas grösseren Durchmesser. Dadurch kann gewöhnliches Essen verabreicht werden, wenn es gut püriert und ausreichend mit Flüssigkeit versetzt ist. Da dies jedoch sehr aufwendig ist und auch das Risiko erhöht, dass man den Schlauch verstopft, greifen die Meisten auf spezielle Sondennahrung zurück. Diese ist explizit auf die Gabe über eine Magensonde ausgelegt.
Als Medizinprodukt verfügt Sondennahrung über eine Hilfsmittelnummer und wird von der Krankenkasse übernommen. Erhältlich ist sie über die Apotheke oder Firmen, die sich auf die Versorgung von Sondenpatientinnen und -patienten in ihrem häuslichen Umfeld spezialisiert haben. Heutzutage sind alle diese Spezialnahrungen ausbalanciert d. h. sie enthalten alle notwendigen Vitamine, Mineralien und sonstige Nährstoffe in ausreichender Menge. Es gibt auch hochkalorische Produkte oder Präparate, die für besondere Stoffwechselansprüche entwickelt wurden.
Auch für Menschen, denen die Inhaltsangaben auf den Rückseiten der Beutel oder Flaschen der Flüssignahrung suspekt vorkommen, bietet der Markt inzwischen eine Alternative. HiPP – eigentlich bekannt durch sein Essensangebot für Neugeborene – hat seit einigen Jahren ebenfalls Sondennahrung im Programm. Wie bei der Babynahrung auch, handelt es sich hierbei um Menüs aus ökologisch produzierten Lebensmitteln. Nur eben in flüssiger Form. Auch wenn die Auswahl an Sondennahrung bei Weitem nicht so gross ist, wie bei «Oralverkostern», können heutzutage doch so ziemlich alle Ansprüche erfüllt werden.
Alltäglicher Umgang – wenn das Essen aus der Flasche kommt
Der Umgang mit einer PEG ist schnell gelernt. Überleitsysteme, Ernährungspumpe und das Essen aus der Flasche sind für Angehörige, Assistenzkräfte und Pflegepersonen und Betroffene bald normaler Bestandteil des Alltags. Auch der notwendige Verbandswechsel um die Einstichstelle herum ist bald genauso üblich, wie Zähneputzen. Das sollten übrigens auch Besitzer einer Magensonde regelmässig beibehalten. Denn es verleiht nicht nur frischen Atem, sondern beugt auch Erkrankungen des Mundraums und Pilzbildungen vor.
Je nach Krankheitsbild kann man trotz PEG manchmal noch trinken oder vorsichtig naschen (wobei die Erfahrung zeigt, dass Betroffene kaum noch Verlangen nach süßen, wohl aber nach herzhaften Speisen haben). Aber auch wenn nicht, sollte man dem gemeinsamen Essenfassen trotzdem beiwohnen. Ist doch der gemeinsame Tisch auch ein Ort des Austauschs und der Kommunikation. Wenn währenddessen eine Flasche Sondennahrung durchläuft, hat man neben dem optischen und olfaktorischen Genuss auch ein Sättigungsgefühl.
Wer sich mal nicht in der Lage fühlt, der Familie oder Freunden beim Essen bloss zuzusehen, sollte dies offen ansprechen und in der Zeit dann etwas anderes machen.
Da eine Magensonde nicht gerade zu den auffälligen Hilfsmitteln gehört, sollte man es seinen Mitmenschen auch verzeihen, wenn sie einen mal zum Essen einladen oder in einer gemeinsamen Runde fragen, ob man denn keinen Hunger habe. Auch ohne einen vorwurfsvollen Blick kann man sich sicher sein, dass es dem Fragenden nach dem Hinweis auf die Sondenernährung schon peinlich genug sein wird, diesen Umstand vergessen zu haben. Für Betroffene hilft es oftmals, sich zur Akzeptanz des nicht-mehr-essen-Könnens die Vorteile der künstlichen Ernährung (Sättigung, ausreichende Versorgung des Körpers, ausbleibendes Verschlucken) bewusst zu machen.