Die Wichtigkeit der Behandlung von chronischen Schmerzen
Chronische Schmerzen sind eine komplexe Erkrankung, die von Beginn an gezielt behandelt werden sollte. Dies geschieht leider viel zu selten. Dabei stehen diverse Behandlungsoptionen zur Verfügung.
Der Weg zur optimalen Therapie kann lang sein, lohnt sich aber. (unsplash)
Fast alle chronischen Schmerzen haben eine Gemeinsamkeit: Sie werden zu spät, oftmals gar nicht und wenn doch, vielfach nicht von ausgebildetem therapeutischem Fachpersonal behandelt. Eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der Initiative «Wege aus dem Schmerz» ergab, dass von rund zwölf Millionen Deutschen, die unter chronischen Schmerzen leiden, rund vierzig Prozent gar nicht therapiert werden. Frauen befinden sich etwas häufiger in Behandlung (68 Prozent) als Männer (56 Prozent) und ältere Betroffene (78 Prozent) häufiger als junge (38 Prozent). Die Umfrage zeigte ausserdem auf, dass rund zwei Drittel der Betroffenen nicht bei ausgebildetem therapeutischem Fachpersonal in Behandlung sind, sondern bei ihrer Hausärztin bzw. bei ihrem Hausarzt. Obwohl chronische Schmerzen alle Aspekte der Gesundheit und des Wohlbefindens beeinträchtigen und eine grosse Behinderung im Alltag sein könne, werden sie also nicht ausreichend bekämpft.
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Verheerende Auswirkungen
Mit chronischen Schmerzen einfach leben zu lernen, kann keine Option sein. Wenn der Schmerz zum ständigen Begleiter wird, sollten Betroffene unbedingt ärztliches Fachpersonal aufsuchen, da die Auswirkungen – sowohl im Privat- als auch im Berufsleben – gravierend sind. Betroffene leiden an psychischen Problemen – und das Umfeld leidet mit. Kurz gesagt: der Schmerz dominiert das Leben.
Umfassende Diagnose
Für die meisten Betroffenen ist die Hausärztin bzw. der Hausarzt die erste Anlaufstelle. Verfügt das Fachpersonal über eine Ausbildung als Schmerztherapeut bzw. -therapeutin, kann es die Diagnose und Therapie selber starten, ansonsten sollte es die Patientinnen und Patienten an eine Person mit Spezialisierung in diesem Gebiet verweisen. Ausgebildetes Fachpersonal in der Schmerztherapie versucht, dem Schmerz mit einer umfassenden Diagnose auf die Schliche zu kommen. Im Mittelpunkt steht dabei die Schmerzanamnese, die eigentliche Krankengeschichte.
Schmerzanamnese
Die Erhebung der Anamnese beinhaltet
- eine möglichst genaue Lokalisation des Schmerzes und dessen Ausstrahlung,
- die Einschätzung der Schmerzstärke anhand einer Skala von ein bis zehn,
- die Feststellung von Art, Form und Verlauf des Schmerzes,
- die Suche nach auslösenden und verstärkenden Faktoren sowie die Begleitsymptome.
Vielfach wird die Patientin bzw. der Patient aufgefordert, ein sogenanntes Schmerztagebuch zu führen. Weiter zieht das ärztliche Fachpersonal frühere Befunde, Arztberichte und Röntgenbilder zur Diagnose heran. Und es informiert sich über die berufliche und private Lebenssituation des Betroffenen. Je nach lokalisiertem Schmerzort oder Grunderkrankung führt der Experte bzw. die Expertin zusätzlich eine eingehende körperliche Untersuchung durch, schwergewichtig neurologisch und orthopädisch.
Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse schlägt die Expertin bzw. der Experte in der Folge eine auf die vielfältigen Ursachen und verstärkende, Faktoren abgestimmte Schmerztherapie vor. Im Zentrum stehen eine Beeinflussung der Schmerzbahn respektive die Unterbrechung der Schmerzleitung sowie eine Veränderung der Schmerzwahrnehmung.
Kombination verschiedener Therapien
Schmerzexpertinnen und -experten empfehlen zur Bekämpfung chronischer Schmerzen eine Therapie, die auf vier Säulen basiert – nämlich eine medizinische Therapie, die medikamentöse Behandlung, Physiotherapie und Psychotherapie. Korrigierende, operative Eingriffe können zur Schmerzlinderung führen, wenn dadurch eine dem Schmerz zu Grunde liegende Störung, wie z.B. ein Bandscheibenschaden, behoben werden kann. Meistens bilden aber Schmerzmittel die Grundlage für Therapiemassnahmen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt zur medikamentösen Schmerztherapie ein Vorgehen in drei Stufen:
- Stufe 1: Nichtsteroidale Antirheumatika (z.B. Ibuprofen, Acetylsalicylsäure)
- Stufe 2: Schwächere Opioide (z.B. Tilidin)
- Stufe 3: Stärkere Opioide (z.B. Morphin, Hydromorphon)
Neben den Schmerzmitteln können bestimmte Antidepressiva unabhängig von ihrer stimmungsaufhellenden Wirkung einen positiven Effekt auf die Schmerzempfindung haben.
Invasive Massnahmen & Behandlung mit Elektrostimulation
Schmerztherapeutische Massnahmen können auch invasiv erfolgen. Zum Beispiel können Schmerzpumpen implantiert werden oder es wird mit einer Infiltration versucht, eine Nervenblockade zu erreichen. Schmerzempfindungen in bestimmten Körperregionen können auch mit Hilfe elektrischer Stimulation gelindert werden. Bei der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) werden die Nervenstrukturen durch das Anlegen von Stromimpulsen auf der Haut gereizt, wodurch ein körpereigenes Schmerzhemmsystem aktiviert wird.
Weitere Schmerztherapien
Eine wichtige Rolle bei der Behandlung chronischer Schmerzen spielt auch die Physiotherapie. Kontrollierte Bewegungen und Übungen schmerzender Körperteile können helfen, die Funktion steifer Gelenke und Muskeln wiederherzustellen. Durch bestimmte Massagetechniken wird eine Durchblutungsverbesserung und Muskelentspannung erreicht. Ausserdem werden durch die bessere Durchblutung die Substanzen schneller abtransportiert, die bei einem Gewebeschaden die Schmerzrezeptoren reizen.
Mit dem Schmerz umgehen
Der Schmerz als Krankheit bedeutet für die meisten Betroffenen auch eine enorme psychische Belastung. Ängste, Aggressionen, Verweigerung und Vermeidung sind häufige Folgen. Eine Psychotherapie hat zum Ziel, die Schmerzpatientinnen und -patienten bei der Bewältigung der Schmerzen und deren Folgen zu unterstützen. Die betroffene Person lernt, Ängste abzubauen, das Schmerzempfinden zu kontrollieren und Techniken der Ablenkung, Entspannung und Problemlösung anzuwenden – immer mit dem übergeordneten Ziel, die Schmerzintensität zu verringern und die Lebensqualität zu verbessern.