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Agoraphobie: die Angst davor, nicht flüchten zu können

Eine Agoraphobie ist eine Angststörung, bei der Betroffene Angst vor Situationen haben, aus denen sie notfalls nur schwer entkommen können. Weil die Betroffenen Orte und Situationen, in denen sie Panik bekommen könnten, meiden, beeinträchtigt die Agoraphobie die Lebensqualität erheblich. Doch wie entsteht die umgangssprachlich auch als Platzangst bezeichnete Krankheit und wie kann sie behandelt werden? Genau das schauen wir uns im folgenden Beitrag an.

unsplash | © Andrés Goméz/unsplash

Menschen mit Agoraphobie haben Angst vor Situationen, aus denen sie nicht entkommen können. (Andrés Goméz/unsplash)

Angst ist ein Gefühl, das alle Menschen zeitweilig in bestimmten Situationen erleben. Dieses Gefühl ist auch durchaus sinnvoll. Schliesslich kann Angst uns vor gefährlichen Situationen warnen und schützen.

Bei einer Agoraphobie handelt es sich jedoch um eine Form der Angststörung. Sie ist somit eine psychische Erkrankung und geht mit einem unverhältnismässigen Gefühl der Angst einher. Dabei zeigen sich häufig Symptome, die typisch für Angststörungen sind, wie beispielsweise Herzrasen oder Schwindel.

Was ist eine Agoraphobie?

Der Begriff «Agoraphobie» kommt ursprünglich aus dem Griechischen. «Agora» bedeutet Marktplatz, «Phobie» Furcht. Deshalb wird Agoraphobie auch häufig als Platzangst bezeichnet. Jedoch geht es dabei eigentlich nicht um die Angst vor bestimmten Plätzen oder Orten an sich. Daher sollte sie nicht mit der Klaustrophobie verwechselt werden, die die Angst vor geschlossenen oder engen Räumen bezeichnet. Bei einer Agoraphobie geht es um die Angst, in eine Situation oder an einen Ort zu kommen, aus dem man im Notfall nicht mehr entkommen kann, beziehungsweise keine Hilfe von anderen Menschen erhält. Daher führt auch meistens das Zurückziehen aus der Situation dazu, dass die Angst verschwindet. 

So offen die Definition einer Agoraphobie, so unterschiedlich kann sie sich auch zeigen. Betroffene haben beispielsweise Angst in Bezug auf bestimmte Orte, wie Supermärkte, Theater oder öffentliche Verkehrsmittel. Sie können aber auch Menschenansammlungen, das Verlassen ihres Zuhauses oder das Verreisen an einen fremden Ort fürchten. In besonders schweren Fällen kann die Angst bereits auftreten, sobald ein als sicher empfundener Ort verlassen wird. Auch der blosse Gedanke an einen Ort oder eine Situation, in der häufig Angst auftritt, kann bereits zu Symptomen führen. Es liegt in der Natur der Sache, dass Betroffene versuchen, diesen Situationen aus dem Weg zu gehen. Sie fangen an, Situationen und Orte zu meiden, die Angst auslösen. Dies kann die schulische oder berufliche Karriere ebenso beeinträchtigen wie das Privatleben und zu einer völligen sozialen Isolation führen.

Angst vor der Angst

Ein zentrales Merkmal der Agoraphobie ist die Angst vor möglichen Angstzuständen oder Panikattacken in der Öffentlichkeit. Dieses Phänomen bezeichnen Fachpersonen auch als «Phobophobie» beziehungsweise «Angst vor der Angst». Betroffene haben also bereits im Vorfeld Angst vor gewissen Situationen und verfallen in Sorgen und Grübeleien. Dies führt zu inneren sowie zu körperlichen Anspannungen, was die Angst oftmals noch zusätzlich verstärkt. Viele Betroffene landen so in einem Teufelskreis der Angst.

Agoraphobie und Panikattacken

Eine Agoraphobie tritt häufig in Kombination mit einer Panikstörung auf. In rund 35 bis 56 Prozent aller Fälle trifft dies zu. Betroffene erleben dabei in beängstigenden Situationen Panikattacken, die in direktem Zusammenhang mit der jeweiligen Situation stehen.

Das Hauptmerkmal der Panikstörung sind immer wieder auftretende, nicht durch äussere Umstände ausgelöste Panikattacken. Diese Panikattacken stellen eine extreme körperliche Angstreaktion aus scheinbar heiterem Himmel dar, die die Betroffenen als extreme Bedrohung ihrer Gesundheit erleben. Der Körper bereitet sich mit erhöhter Adrenalin-Ausschüttung blitzschnell auf eine Kampf-/Fluchtreaktion vor. Es kommt zu Symptomen wie Atemnot, Engegefühl in der Brust, Herzrasen oder -schmerzen, Zittern, Schweissausbrüchen, Übelkeit oder anderen Beschwerden. Betroffene glauben oftmals, sie würden einen Herzinfarkt erleiden. Das Gefühl der Angst verstärkt sich dadurch zusätzlich. In der Regel lassen die Symptome mit dem Adrenalin-Abbau nach einigen Minuten wieder nach. 

Symptome der Agoraphobie

Eine Agoraphobie zeigt sich durch sowohl psychische als auch körperliche Symptome. Zentral ist jedoch immer die Angst vor Angstzuständen oder Panikattacken in bestimmten Situationen. Auch die Angst vor Menschenmassen ist ein zentrales Kriterium. Die Gründe für die Angst sind jedoch unterschiedlich. Betroffene ohne Panikstörung haben meist mehr Angst vor peinlichen Situationen. Eine Agoraphobie mit Panikstörungen jedoch zeigt sich meist in der Angst, in Notfällen keine Hilfe zu erhalten.

Grundsätzlich können in beiden Fällen eine Reihe an möglichen Symptomen auftreten:

  • Herzklopfen oder eine erhöhte Herzfrequenz 
  • Schweissausbrüche
  • Zittern 
  • Mundtrockenheit
  • Kribbelgefühle oder Gefühllosigkeit in den Armen oder Beinen
  • Beklemmungsgefühl
  • Atembeschwerden
  • Beschwerden im Magen-Darm-Trakt
  • Hitzewallungen oder Kälteschauer
  • Schwindel, Benommenheit und/oder Schwäche
  • Angst vor Kontrollverlust, Angst verrückt zu werden oder Angst zu sterben
  • Gefühl, man selbst oder die Umwelt sei nicht real (Depersonalisation oder Derealisation)

Den meisten Betroffenen ist klar, dass es keine ersichtlichen Gründe für ihre Angst gibt. Dennoch sind sie stark emotional und körperlich belastet. Dieses Belastungsgefühl wird mit der Zeit immer stärker, sodass die Angst irgendwann so stark ist, dass sie alleine durch die Vorstellung einer bestimmten Situation ausgelöst werden kann. Betroffene werden deshalb stark in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Sie können oftmals ihrem Alltag nicht mehr nachgehen und isolieren sich zunehmend. Eine Agoraphobie hat somit schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen, sowohl in beruflich-finanzieller als auch sozialer Hinsicht.

Agoraphobie kann, wie die meisten Angststörungen, neben den jeweiligen akuten Symptomen längerfristig zu Depressionen und völliger Isolation führen, aber auch zu einem gesteigerten Suchtverhalten. Andauernde Ängste, Phobien und Panikattacken nehmen den Betroffenen alle Lebensenergie. Alles ist negativ beeinflusst. Die Betroffenen meiden die Öffentlichkeit, Orte, wo ihre Ängste noch akuter werden, wo Panikattacken entstehen könnten.

Betroffene kapseln sich immer mehr auch von ihrem privaten Umfeld ab und isolieren sich. Um aufkommende Angst zu unterdrücken oder um sich einstellende körperliche Beschwerden zu bekämpfen, greifen manche zu Medikamenten, Alkohol oder Drogen und geraten so in einen Kreislauf, aus dem auszubrechen nun noch schwieriger wird.

Eine Grafik, auf der soziale Phobie und Agoraphobie bildlich als Personen dargestellt sind. | © Stiftung MyHandicap / EnableMe Der Unterschied zwischen Agoraphobie und sozialer Phobie: Menschen mit Agoraphobie haben Angst davor, nicht aus einer Situation flüchten zu können. Betroffene einer sozialen Phobie fürchten sich vor Situationen, in denen sie bewertet werden. (Stiftung MyHandicap / EnableMe)

Platzangst: Ursachen

Wie bei vielen psychischen Erkrankungen ist auch bei der Platzangst die Ursache noch nicht abschliessend geklärt. Es sind jedoch mehrere Gründe möglich. Manche Forschende gehen davon aus, dass zuerst Panikattacken auftreten. Diese führen dann langfristig dazu, dass Betroffene anfangen, bestimmte Orte zu meiden, an denen die Panikattacken häufiger vorkommen. Andere gehen von einem entgegengesetzten Zusammenhang aus. Es gestaltet sich also ähnlich wie die Frage nach der Henne und dem Ei.

Was jedoch klar ist, ist, dass es nicht nur eine einzige Ursache gibt. Vielmehr scheint ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren die Entstehung einer Agoraphobie zu begünstigen. Als Risikofaktoren für eine Erkrankung werden folgende Dinge in Betracht gezogen: 

  • 1

    Erbliche Faktoren

    Bisherige Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen, deren Eltern bereits an Agoraphobie (oder einer anderen Angststörung) erkrankt sind, ein höheres Risiko haben, im Laufe ihres Lebens selbst eine Platzangst zu entwickeln. Aber auch Verhaltenshemmungen können vererbt werden und eine Erkrankung begünstigen. Dabei handelt es sich um die allgemeine Neigung, in neuen und unbekannten Orten zurückhaltend zu sein. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass eine Fehlfunktion der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin eine Rolle spielt. Serotonin ist an der Regulierung von Stimmung, Appetit und Schlaf beteiligt. Noradrenalin wiederum wirkt unter anderem auf Herz und Gefässe. Dort steigert es den Blutdruck und die Herzfrequenz.

  • 2

    Psychologische Faktoren

    Trauma und Belastung spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Belastende und traumatisierende Erlebnisse können die Wahrscheinlichkeit einer Agoraphobie, insbesondere bei ängstlichen Menschen, erhöhen. Viele Betroffene haben bereits in ihrer Kindheit traumatische Erfahrungen gemacht. Das kann beispielsweise der Verlust eines Elternteiles durch Tod oder Scheidung sein, aber auch (schwere) Krankheiten oder Missbrauchserfahrungen können eine Rolle spielen.

  • 3

    Angstsensitivität

    Manche Menschen sind von Natur aus ängstlicher als andere und haben damit auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, an einer Agoraphobie zu erkranken als andere. Das liegt unter anderem daran, dass sie Ängste und damit verbundene körperliche Symptome stärker wahrnehmen. Angst und Panikattacken werden daher als bedrohlich empfunden. Zudem kommt es bei Betroffenen oft zu Denkverzerrungen, die die Angst und somit die Symptome weiter verstärken. Je bedrohlicher die Angsterfahrungen werden, desto wahrscheinlicher wird es, dass Orte gemieden werden, an denen die Angst auftritt.

Was tun bei Platzangst? Behandlung und Diagnose

Die gute Nachricht für Betroffene ist, dass Angststörungen generell gut behandelbar sind. Dafür ist eine frühestmögliche Diagnose besonders entscheidend. Wenn Sie also das Gefühl haben, Sie könnten an einer Angststörung erkrankt sein, sollten Sie sich zunächst folgende Fragen stellen:

  1. Beschäftige ich mich mehrmals täglich mit meinen Ängsten?
  2. Gibt es Orte oder Situationen, die ich meide?
  3. Fühle ich mich in Menschenansammlungen überfordert/bedrückt/ängstlich?
  4. Habe ich wiederholt Symptome wie Herzrasen, Atemnot, Zittern usw.?
  5. Beeinträchtigen meine Ängste meine normale Lebensführung?
  6. Ist meine Stimmung gedrückt oder depressiv?
  7. Bekämpfe ich meine Ängste mit Alkohol, Medikamenten oder Drogen?

Können Sie die meisten Fragen mit Ja beantworten? Dann sollten Sie sich an geschultes Fachpersonal wenden. Auch wenn Sie diese Fragen verneinen und dennoch das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, wenden Sie sich an jemanden, um Ihre Situation abzuklären. Geeignete Anlaufstellen sind Ärzte und Ärztinnen, Psycholog:innen oder Psychiater:innen.

Grundsätzlich werden bei der Diagnose zunächst körperliche Untersuchungen durchgeführt, um auszuschliessen, dass die Symptome eine physische Ursache haben. Dazu können beispielsweise Herzprobleme, Gleichgewichtsstörungen oder Schilddrüsen- und Lungenerkrankungen zählen. Auch die Anwendung bestimmter Medikamente kann gegebenenfalls entsprechende Symptomatiken verursachen. 

Damit eine Agoraphobie diagnostiziert werden kann, muss die Angst und Vermeidung bestimmter Situationen mindestens sechs Monate andauern. Zudem muss sie in mindestens zwei der folgenden Situationen eintreten:

  • beim Fahren von öffentlichen Verkehrsmitteln
  • beim Aufenthalt auf offenen Flächen wie Markt- oder Parkplätzen
  • beim Aufenthalt in geschlossenen Bereichen wie einem Supermarkt oder einem Theater
  • beim Schlangestehen oder in einer Menschenmenge
  • alleine ausserhalb des Zuhauses zu sein

Diese Ängste müssen ausserdem die Sorge beinhalten, dass in Notsituationen keine Flucht möglich ist oder keine ausreichende Hilfe bereitsteht. Zusätzlich müssen alle der folgenden Kriterien erfüllt sein:

  • die Symptome werden fast immer durch die gleiche Situation ausgelöst
  • die Betroffenen verändern ihr Verhalten, um die Situation zu meiden oder sie brauchen eine Begleitung
  • die Symptome sind nicht verhältnismässig zur tatsächlichen Gefahr
  • die Symptome sorgen für erhebliches Leid und beeinträchtigen die Betroffenen
  • die Symptome werden nicht durch eine andere psychische oder körperliche Erkrankung verursacht

Die Behandlung beruht meist auf einer individuell zugeschnittenen Psychotherapie, die bei starken Symptomen von einer medikamentösen Therapie begleitet wird. Eingesetzt werden dabei oft AntidepressivaSie bewirken, dass die Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin länger wirken. Aber auch trizyklische Antidepressiva können verabreicht werden, die einerseits die Ängste reduzieren und gleichzeitig eine mögliche Depression lindern. Da sie jedoch Nebenwirkungen verursachen können, werden sie eher in Ausnahmefällen verabreicht.

Bei der Psychotherapie lernen Betroffene zu verstehen, dass die Beschwerden nach einer gewissen Zeit wieder abklingen und die befürchteten Konsequenzen ausbleiben. Dazu kommt häufig die kognitive Verhaltenstherapie zum Einsatz. Bei der kognitiven Verhaltenstherapie der Phobien, Angst- und Panikstörungen geht es unter Einbezug von Wissensvermittlung, kognitiven Interventionen und Konfrontationsverfahren darum, sich den Ängsten oder mit Angst verbundenen Situationen gezielt und in zunehmender Dosis auszusetzen, bis alle zuvor gemiedenen Situationen wieder zu bewältigen sind und in das tägliche Leben integriert werden können.

Auch psychodynamische Therapien können unter Umständen hilfreich sein. Sie gehen davon aus, dass ungelöste Konflikte für die Beschwerden verantwortlich sind. Um also Ängste zu bewältigen, müssen zunächst diese Konflikte bearbeitet werden. Die psychodynamische Therapie setzt dabei insbesondere auf Gesprächstherapien. 

Selbsthilfe bei Agoraphobie

Neben einer psychotherapeutischen oder medikamentösen Behandlung gibt es einige Strategien, die Sie in Ihren Alltag implementieren können, um die Angst in den Griff zu bekommen:

  • Atemübungen und Entspannungstechniken: Bei Angststörungen, insbesondere in Verbindung mit Panikattacken, können Atemübungen Ihnen dabei helfen, die Herzfrequenz zu senken. Besonders in akuten Momenten kann dadurch eine Hyperventilation vermieden werden. Auch Entspannungstechniken oder Achtsamkeit können helfen.
  • Gedankencheck und Akzeptanz: Versuchen Sie, daran zu denken, dass Angst ein normales Gefühl ist. Es ist nicht gefährlich, auch wenn es sich so anfühlt. Auch die Akzeptanz Ihrer Erkrankung kann Ihnen dabei helfen, damit umzugehen und langfristig sogar die Angst zu reduzieren.
  • Stellen Sie sich Ihrer Angst: Halten Sie die Vermeidung von Situationen und Orten, die Ihnen Angst bereiten, möglichst gering, da Sie sonst in einem Teufelskreis der Angst bleiben. Dies ist ein wesentliches Ziel der Therapie von Angststörungen.
  • Körperliche Aktivitäten: Sport und Bewegung haben einen positiven Einfluss auf die Psyche. Bei Agoraphobie helfen insbesondere Ausdauersportarten, wie Laufen oder Fahrradfahren. Wenn Sie sich dabei in der Natur aufhalten, verstärkt sich der positive Effekt.
  • Um Hilfe bitten: Bleiben Sie mit Ihrer Angst nicht alleine! Ein Gespräch mit einer vertrauten Person kann Ihnen emotionale Unterstützung bieten.

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