Silvia D. war 21, als ihre Spitzfüsse operiert wurden. Die Operation war für sie ein schwerer Eingriff. Sie hatte sich zu der Operation überreden lassen und war mit dem Ergebnis nicht zufrieden.
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Starke Schmerzen und Beine, die Silvia D. am liebsten abschneiden wollte, bestimmten ihr Leben. Psychotherapie wollte sie keine machen. «Mir taten doch nur die Füsse weh, ich war nicht verrückt», erzählt die junge Frau. Als sie von der Möglichkeit einer Musiktherapie erfuhr, war sie sofort begeistert dabei.
« Während der Musiktherapie verspürte ich keine Schmerzen. Sie waren wie weggeblasen »
,erinnert sich die heute 24-jährige gerne an ihre Therapiestunden zurück. Nach einem Jahr endete die Therapie. Silvia D. spielt heute in einer Band Rhythmusinstrumente. Obwohl sie ab und zu immer noch Schmerzen verspürt, hat sie gelernt, ihre Füsse zu akzeptieren. Jetzt ist die Musik ihr Leben, nicht mehr die Schmerzen.
Traumaverarbeitung durch positive Erlebnisse
«Musik ist ein Bereich, in dem der Mensch unbehindert leben kann», sagt Professor Doktor Lutz Neugebauer, Vorstandsmitglied der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft. «Durch die positiven Erlebnisse, die ein Mensch in einer Musiktherapie erfährt, kann er seine traumatischen Erlebnisse anders verarbeiten als bei sprachlich orientierten Therapien», ist Neugebauer überzeugt. Laut des Schweizerischen Fachverbands für Musiktherapie SFMT ist das Anliegen der Musiktherapie, Menschen mit Musik zu bewegen und dies zur Heilung einzusetzen. Mithilfe von musikalischen Elementen wie Klang, Rhythmus, Melodie, Harmonie und Stille aktiviert Musiktherapie das Gesunde im Menschen und fördert seine Ressourcen sowie den emotionalen Zugang zu sich selbst.
Musiktherapie mit Qualität
«Die unterschiedlichen musiktherapeutischen Methoden orientieren sich an dem ihnen zugrundeliegenden Psychotherapiemodell», erklärt Astrid Lorz-Zitzmann, Präsidentin des Schweizerischen Fachverbands für Musiktherapie. Sie sieht Musiktherapie als ein wechselseitiges und beziehungsorientiertes Geschehen aus Musik und Verbalisieren. «Musiktherapie sucht Ausdruck, Kommunikation und das Gespräch darüber – wenn es möglich ist», sagt Lorz-Zitzmann. Der 1981 gegründete Fachverband für Musiktherapie SFMT zählt heute 250 Mitglieder. Um in die Liste der Musiktherapeuten SFMT aufgenommen zu werden, bedarf es der Erfüllung von relativ hohen Qualitätskriterien. Musiktherapeuten in der Schweiz arbeiten sowohl «aktiv» wie «rezeptiv». In der aktiven Musiktherapie werden die Klienten zum gemeinsamen Spiel an einfach zu handhabenden Instrumenten ohne Leistungsdruck motiviert. Dieses musikalische Spiel- und Experimentierfeld ermöglicht den Ausdruck von Gefühlen und lädt zur Kommunikation ein. In der rezeptiven Musiktherapie werden durch das Hören von Musik vielfältige emotionale und körperliche Empfindungen sowie Erinnerungen ausgelöst, die im Gespräch thematisiert werden.
Die Frage der Finanzierung
«Musik hat von allen Künsten den tiefsten Einfluss auf das Gemüt, ein Gesetzgeber sollte sie deshalb am meisten unterstützen», sagte Napoleon I. zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Grundversicherungen der Schweiz sehen diese Unterstützungswürdigkeit in Bezug auf die Musiktherapie leider anders. Musiktherapie wird von der Grundversicherung nur bei stationärer Betreuung finanziert beziehungsweise im Zuge einer Rehabilitation. Wer ambulante Musiktherapie in Anspruch nehmen möchte, kann die anfallenden Kosten von der Komplementärversicherung abdecken lassen. Wichtig ist zu prüfen, ob der Leistungskatalog der jeweiligen Komplementärversicherung Musiktherapie beinhaltet.
Musiktherapie blickt in die Zukunft
Musiktherapie hilft Menschen mit einer erworbenen Behinderung einen Umgang mit der Situation zu finden und Ressourcen für eine erfüllende Zukunft zu erschliessen. Sie trägt dazu bei, für die traumatischen Erlebnisse eine Ausdrucksmöglichkeit bereitzustellen, welche die Verarbeitung ermöglicht und verhilft zu positiven Erlebnissen, an welche weiter angeknüpft werden kann. «Musiktherapie bietet die Möglichkeit der lebenspraktischen Hilfe für die Akzeptanz der erworbenen Behinderung», erklärt Professor Neugebauer von der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft. Menschen mit angeborenem oder erworbenem Handicap können sich in den Selbstverwirklichungsräumen der Musiktherapie neu entdecken und entfalten. Sie können Talente erfahren, die ihnen vor der Therapie nicht bewusst waren. Diese positiven Erlebnisse können das Selbstwertgefühl steigern und dazu beitragen, dass sich die Entwicklung beziehungsweise die Prognose eines Menschen mit Handicap wesentlich verbessert.