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Paraclimbing: Interview mit Michael Füchsle

Klettern ist nicht nur eine physisch anspruchsvolle Sportart, sondern auch eine, die die Grenzen der individuellen Stärke und Entschlossenheit herausfordert. Wir konnten mit dem talentierten Paraclimber Michael Füchsle sprechen, der zunächst im Sport herausragende Erfolge erzielte und mittlerweile als 2. Bundestrainer im Nationalkader tätig ist.

Ein Mann hängt mit beiden und dem rechten Bein an einem überhängendem Felsen. | © Privataufnahme

Paraclimbing ist seine grosse Leidenschaft. (Privataufnahme)

Schön, dass du zu einem Interview bereit bist. Würdest du dich erst einmal kurz persönlich vorstellen?

Mein Name ist Michael Füchsle, bin 57 Jahre alt und seit meinem 14. Lebensjahr Profi-Kletterer. 2005 hatte ich einen Darmdurchbruch mit allen Schikanen, was man sich vorstellen kann. Notoperation, Blutvergiftung, Koma, Rollstuhl, Stoma und starke Polyneuropathie an Beinen und Armen. Nach sieben Jahren Kletterpause hatte ich wieder mit dem Klettern angefangen und bin seit dem Profikletterer mit Handicap (auch Paraclimber genannt) und zu 90% schwerbehindert.

Du hast als Paraclimber einige Erfolge gesammelt. Kannst du kurz erklären, was Paraclimbing ist und für wen sich diese Sportart eignet?

Das stimmt, nachdem ich 2012 wieder mit dem Klettern angefangen hatte, hörte ich, dass es auch Wettkämpfe für Kletterer mit Behinderung gibt. 2015 bestritt ich dann nach langem wieder meinen ersten Wettkampf in Imst und landete sofort auf dem fünften Platz. In den Jahren darauf konnte ich viele Podestplätze verbuchen, der Grösste war aber mit Sicherheit 2017, als ich den zweiten Platz im gesamten Worldcup erreichen konnte. Paraclimbing heisst Klettern mit Handicap, alle, die Behinderungen haben, können diese wunderbare Sportart versuchen, bei Wettkämpfen sind sogar Personen, die komplett im Rollstuhl sitzen, genauso wie Bein- oder Armamputierte oder blinde Kletterer.

Wie bist du zu dieser Sportart gekommen und was hat dich dazu motiviert, sie auszuüben?

Ich klettere schon seit meinem 12. Lebensjahr und habe 2005 nach meinem Darmdurchbruch immer gesagt, irgendwann fange ich mit dem Klettern wieder an, zu dieser Zeit sass ich noch im Rollstuhl und konnte keinen Meter laufen, die Ärzte meinten damals das wird wohl nichts mehr werden, da ich den Rollstuhl nicht mehr verlassen werde und hielten mich für verrückt. Und tatsächlich hatte es Jahre gedauert, bis ich wieder angefangen hatte und ich glaube, hätte ich meine Freundin nicht gehabt, die mich 2012 motivierte, das Klettern doch nochmals zu versuchen, hätte ich nicht mehr angefangen, auch wenn ich dies 2005 noch gesagt hatte, es vergingen einfach viel zu viele Jahre.

Welche Herausforderungen hast du beim Paraclimbing erlebt und wie gehst du damit um?

Meine grösste Herausforderung war und jetzt natürlich noch mit Sicherheit mich an meine Handicaps zu gewöhnen, ich konnte ja schon vorher sehr gut Klettern, aber durch meine Polyneuropathie an Armen und Beinen und Stoma sind doch sehr grosse Einschränkungen vorhanden. Ich habe komplett neue Bewegungen erlernen müssen. Wegen des Stomas soll ich auch stark überhängende Routen so gut wie möglich vermeiden. Die Sache ist noch komplizierter geworden, da ich mir vor zwei Jahren noch einen Bauchdeckenbruch zugezogen hatte.

Inwiefern hat das Paraclimbing dein Leben beeinflusst, sowohl auf sportlicher als auch auf persönlicher Ebene?

Das Paraclimbing hat mein Leben sehr beeinflusst, nach meinem Schicksalsschlag 2005 hatte ich mich jahrelang zu Hause versteckt, hatte mich geschämt und hatte Angst, dass man mein Stoma sieht oder riecht, hatten sich doch neunzig Prozent meiner Freunde nach 2005 von mir abgewendet. Sie wollten von mir nichts mehr wissen. Bis ich dann 2010 meine jetzige Freundin kennengelernt habe. Sie hatte mich dann auch 2012 ermutigt, das Klettern wieder zu versuchen. Seitdem ich wieder klettere, macht mir das Leben wieder Spass und vor allem mit meiner Freundin zusammen. Klettern, Wandern und Reisen ist wunderbar.

Gibt es auch Ängste oder Unsicherheiten beim Klettern, mit denen du konfrontiert bist oder warst? Wie gehst du damit um, insbesondere in Bezug auf deine Behinderung?

Logisch gibt es Ängste, vor allem weil ich fast jährlich gesundheitliche Rückschläge erleide. Letztes Jahr war es mal wieder Spitz auf Knopf, da wäre ich fast an Organversagen gestorben. Aufgrund meiner Vorerkrankungen musste das Laufen wieder komplett erlernt werden. Ich dachte wirklich das wars mit meinem Leben und Klettern, aber auch hier hat mich meine Freundin wieder aufgebaut und bereits drei Wochen später waren wir schon wieder in den Kletterhallen unterwegs. Die Angst vor einem erneuten grossen Rückschlag ist enorm. Aber ich bin auch ein Kämpfer, der nicht so schnell aufgibt.

Michael und seine Freundin links im Bild sitzen auf einem Felsen. Im Hintergrund eine Berglandschaft. | © Privataufnahme Auch wenn die Angst vor Rückschlägen gross ist, Michael ist ein Kämpfer und gibt nicht so schnell auf. (Privataufnahme)
Hat dir der Sport geholfen, mit gesundheitlichen Problemen und Herausforderungen besser umzugehen?

Auf jeden Fall, Sport hilft immer, egal ob es Klettern oder eine andere Sportart ist.

Gibt es ein besonderes Erlebnis als Paraclimber oder einen Erfolg, der dich besonders stolz macht?

Jede Reise zu den verschiedensten Klettergebiete der Welt ist ein besonderes Erlebnis. Man sieht so viel, jedes Gebiet ist anders, egal ob von der Landschaft oder der Leute. Selbst von den Klettereien ist jedes Gebiet anders. Da gibt es verschiedene Gesteinsformen. Mittlerweile bin ich auch nicht mehr so verbissen wie früher, da bin ich nur von einem Klettergebiet in das andere gefahren, jetzt schaue ich zusammen mit meiner Freundin Marion auch die Sehenswürdigkeiten an.

Welche Rolle spielt die Gemeinschaft im Paraclimbing für dich? Hast du enge Kontakte zu anderen Paraclimbern und wie unterstützt ihr euch gegenseitig?

Die Gemeinschaft ist super, ja klar habe ich auch Kontakt zu anderen Paraclimbern, schon alleine wegen der ganzen Wettkämpfe oder Trainingslagern trifft man sich, aber auch privat treffe ich mich öfters mit Paraclimbern aus dem Deutschen Team zum Klettern und war mit einigen auch schon im Kletterurlaub.

Gibt es bestimmte Vorbilder oder Paraclimber, die dich inspirieren? Wenn ja, warum?

Vorbilder hatte ich früher einmal, als ich angefangen hatte zu klettern, aber es gibt doch einige Kletterer, denen ich meinen Respekt aussprechen kann. Da gibt es bei den Paraclimbern den Angelino Zeller aus Österreich, er sitzt im Rollstuhl und ist nach einem Unfall Querschnittgelähmt. Er klettert nur mit den Armen. Es ist schon beeindruckend, was dieser Typ leistet, der klettert Routen, da können viele Gesunde nur davon träumen. Bei den Gesunden ist es Adam Ondra, dieser ist ein Ausnahmetalent in jeder Hinsicht.

Mittlerweile bist du als 2. Bundestrainer im Nationalkader tätig und sicherlich auch selbst ein Vorbild für viele. Welche Botschaft möchtest du anderen Menschen mit Behinderungen vermitteln, die vielleicht daran interessiert sind, mit dem Paraclimbing zu beginnen?

Stimmt, ich bin seit letztem Jahr 2. Bundestrainer im Deutschen Paraclimb Nationalteam. Seit ich wieder mit dem Klettern 2012 angefangen habe, möchte ich anderen zeigen – und Mut machen – dass es egal ist, was man für eine Behinderung hat, man sollte sich niemals aufgeben und der Sport tut in jeder Hinsicht gut und hilft, aus sich herauszukommen. Gerade das Klettern ist ein faszinierender Sport, den jeder einmal versucht haben sollte.

Wir danken Michael Füchsle ganz herzlich für das Interview und wünschen ihm für seinen weiteren Weg alles Gute.


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