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Aaron Fotheringham: Rollstuhlskating ohne Behinderung

Aaron Fotheringham gilt im Rollstuhlsport als Pionier. Sein Rückwärtssalto brachte ihn schon ins «Guinness Buch der Rekorde». Aaron ist schon als Kind ständig an die Grenzen seiner Möglichkeiten gegangen und hat sich von seiner Behinderung nie einschränken lassen.

Foto eines Skaters auf der Pipeline. | © pixabay

Skaten geht auch mit Behinderungen. (pixabay)

Im Skatertreff ProPark in Las Vegas herrscht im Sommer Hochbetrieb. Aaron Fotheringham saust unentwegt die Betonmulde hinunter, schnellt wieder hoch, vollzieht mit dem Antrieb einen perfekten Salto und landet unbeschadet. Bilder, wie wir sie aus Fernsehserien kennen und mit amerikanischer Jugendkultur gleichsetzten. Mit einem Unterschied: Aaron fährt kein BMX-Rad, er sitzt im Rollstuhl. Auf diesen ist er zwar ständig angewiesen, betont aber, dass er sich dadurch nicht «behindert» fühlt. Aaron liegt grossen Wert auf Semantik:  

« Ich sitze nicht 'im Rollstuhl', sondern 'auf dem Rollstuhl', das heisst, ich geniesse die gleiche Freiheit wie meine Skaterfreunde, die auf dem BMX-Rad oder Skateboard ihre Kunststücke einüben. »

Düstere Prophezeiungen

Aaron Fotheringham ist mit seiner Akrobatik auf vier Rädern, für die er selber die Wortschöpfung «hardcoresitting» kreiert hat, schon in Europa, Korea und kreuz und quer in verschiedenen US-Staaten aufgetreten. Sein Salto hat ihm als Pionierleistung nicht nur weltweite Presse gebracht, sondern auch einen Platz im «Guinness Buch der Rekorde». Dabei hatten Ärzte nach seiner Geburt prophezeit, Aaron könne wohl nie lernen, selbständig zu sitzen.    

Aaron kommt 1992 mit Spina bifida auf die Welt. Spina bifida ist eine angeborene Fehlbildung der Wirbelsäule und des Rückenmarks, die in der dritten bis vierten Schwangerschaftswoche entsteht, und bei der Teile der Wirbelsäule im Rücken offen bleiben. Die Folgen beim Neugeborenen hängen vom Schweregrad der Rückenmarksschädigung ab. Diese können von leichten Gehbehinderungen bis hin zur Querschnittslähmung führen. Bei Aaron kann die Hüfte die Beinknochen nicht richtig halten.

Debüt Im Skaterpark

Aarons älterer Bruder Brian verbringt einen guten Teil seiner Freizeit beim Skatertreff. Aaron begleitet ihn oft, staunt über die tollen Kapriolen der Aficionados. Brian ermuntert Aaron: «Roll doch mal die leichte Rampe herunter!». Gesagt, getan. Der erste Versuch misslingt: Aaron kippt aus dem Rollstuhl und schürft sich die Hände. Das hält ihn nicht ab weiterzuüben, stundenlang, wochenlang; langsam kriegt er den Dreh raus und nach sechs Monaten vollführt er seinen ersten Trick (so heisst ein Kunststück im Skaterjargon), bei dem er ein Rad seines Rollstuhls beim Überfahren einer Schwelle hochzieht. «Je länger ich übte, desto besser konnte ich die Dynamik des Rollstuhls ausnutzen, um neue Tricks zu probieren. Doch ich bin auch auf jede mögliche Art auf die Nase gefallen», sagt Aaron. Die Stürze übersteht er immer ziemlich unbeschadet, denn er schützt seinen Körper mit Helm und Polstern. Ein anderes Problem taucht auf: Aarons Rollstuhl hält bei seinen ersten Saltoübungen nicht mehr mit und zerbricht in Einzelteile.   

« Was ich Kindern und Erwachsenen im Rollstuhl mitgeben will ist sehr einfach: Ich bin immer an die Grenzen meiner Möglichkeiten gegangen und habe mich von meiner Behinderung nicht einschränken lassen. Wenn mich eine schöne Fee fragen würde, ob ich laufen wolle, würde ich ihr sagen: Nein, denn warum soll ich laufen, wenn ich durchs Leben rollen kann.  »

Not macht erfinderisch

«Die Versicherung wollte uns den Rollstuhl nicht ersetzen», sagt Kaylene. Die 5’000 Dollar können die Fotheringhams beim besten Willen nicht aufbringen. Sie reparieren den Rollstuhl so gut wie es geht, doch mit dem Skaten ist vorläufig Schluss. Doch im Land der unendlichen Möglichkeiten geschehen immer wieder Wunder. Ein paar Freunde sammeln Geld und kaufen Aaron einen robusten Rollstuhl bei Colours ’N Motion. Und nun kommt Vater Steves Kreativität zum Zuge. Er schickt dem Hersteller Videoaufnahmen mit Aarons schönsten Tricks. Der Gründer von Colours 'N Motion, John Box, schreibt ihm zurück: Sie wollen Aaron künftig sponsern und ihm für seinen Sport Spezialanfertigungen herstellen.  

Mit seinem neuen Supergefährt – vier Räder, Spezialfederung – schafft der Sportler 2006 nach monatelangem zähem Training seinen ersten perfekten Backflip (Rückwärtssalto). Zwei Jahre später, mit seinem Highschool-Abschluss in der Tasche, widmet sich Aaron voll seiner Leidenschaft und übt bis zu zehn Stunden im Skaterpark. Sein nächstes Etappenziel (Double Backflip, d.h. doppelter Salto) erreicht er 2010. Durch Videoclips auf Facebook werden US-Medien auf den Sportler aufmerksam: Zwei Interviews bei CNN geben Aaron die 10 Minuten Weltruhm. «Nach der Sendung bei CNN ist mein Facebook-Konto explodiert», lacht Aaron. 

Inspirationsquelle für behinderte Menschen

Seither reist Aaron unermüdlich in den USA und Europa herum, um an verschiedenen Profiskater-Wettbewerben teilzunehmen. In einem deutschen Fernsehfilm hat er schon als Stuntman mitgewirkt. Seine eigene Firma «Hardcoresitting», die sich auf Sport-Rollstühle spezialisiert, ist bereits in der Startphase. Bei Wohltätigkeitsveranstaltungen, unter anderem für Spina-Bifida-Forschung, und Sommerlagern für behinderte Kinder nimmt Aaron als Vorzeigesportler teil. «Ich weiss, dass ich viele behinderte Jugendliche inspirieren kann», sagt Aaron.    


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