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Behinderung und Wohnverhältnisse

Gemäss dem Bundesamt für Statistik gilt jede zweite Wohnung als nicht oder nur sehr schwer zugänglich. In der Schweiz fehlt es an günstigem Wohnraum für Menschen im Rollstuhl. Nach Erhebungen der Behindertenorganisation Procap kostet über die Hälfte der auf dem freien Markt angebotenen Mietwohnungen monatlich über zweitausend Franken.

Foto eines Wohnzimmers mit Ledercouch. | © unsplash

Menschen mit Behinderungen haben oft Probleme damit, eine angemessene Wohnung zu finden. (unsplash)

Dieser Betrag liegt weit ausserhalb der finanziellen Reichweite von Menschen, die zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes auf IV-Renten und Ergänzungsleistungen angewiesen sind. Im letzten Herbst waren hierzulande von 3'220 ausgeschriebenen rollstuhlgängigen Mietwohnungen nur 102 günstiger als 1000 Franken pro Monat. Total 402 Wohnungen – oder lediglich zwölf Prozent – wurden unter 1'500 Franken angeboten. Mindestens 53 Prozent der Wohnungen kosteten gar mehr als zweitausend Franken. Zudem waren neun Prozent der Wohnungen ohne Mietpreisangabe auf dem Markt. Die Erfahrung zeigt, dass diese Wohnungen grösstenteils teurer als zweitausend Franken sind. 

Rollstuhlgängige Wohnungen 

Zusätzlich erschwert wird die Wohnungssuche dadurch, dass nur ein Drittel des gesamten Wohnungsangebots überhaupt Mietwohnungen sind, sagt Urs Schnyder von der Wohnberatung der Behindertenorganisation Procap, welche die obigen Zahlen erhoben hat. Procap bietet eine Wohnungsbörse an, bei der rollstuhlgängige Wohnungen ausgeschrieben und gesucht werden können. Die Wohnsituation trägt massgebend zur Lebensqualität eines Menschen bei. Um dem entgegenzukommen, führte eine Gesetzgebung zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung dazu, dass neue Wohnbauten mit mehr als acht Wohnungen hindernisfrei, sprich rollstuhlgerecht, sein müssen. 

Wohnqualität und Wohnkosten

Aufgrund der geringen Finanzkraft, welche beeinträchtigte Menschen oftmals aufweisen, leben sie in preisgünstigen Wohnobjekten. Die Qualität des Wohnens wird dabei, wie es bei günstigeren Wohnungen typisch ist, durch Lärm, Umweltverschmutzung oder unzureichende Schall- und Wärmedämmung eingeschränkt. Diese Beschwerden werden von Haushalten ohne Einschränkungen auch genannt, jedoch nicht so häufig. Gemäss dem BFS, sind hindernisfreie Wohnungen im Allgemeinen nicht teurer als andere. Es muss jedoch in Betracht gezogen werden, dass Haushalte mit beeinträchtigten Menschen einen grösseren prozentualen Anteil des Einkommens aufbringen müssen. Dies kann durch das geringere Niveau ihrer finanziellen Situation erklärt werden. Dies führt auch teilweise zu einer Überbelastung durch die Wohnkosten, wovon häufig die über 65-Jährigen betroffen sind, da der Einkommensrückgang nicht kompensiert werden kann. 

Wohnen im Heim dreimal teurer 

Im Vergleich zu den Kosten einer Heimbetreuung fällt auf, wie wenig das Wohnen in den eigenen vier Wänden von beeinträchtigten Menschen finanziell unterstützt wird. Seit 2008 sind die Beiträge massiv angestiegen: Jemand, der im Heim wohnt, bekommt im Schnitt 2'800 Franken pro Monat ausbezahlt. Bezüger von Ergänzungsleistungen in eigenen Wohnungen hingegen bekommen lediglich neunhundert Franken. Urs Schnyder von Procap sagt dazu: «Wenn das Wohnen im Heim dreimal so teuer ist wie das Wohnen in den eigenen vier Wänden, sollten doch auch die Behörden Interesse haben, möglichst vielen Menschen mit Behinderung den Verbleib in der eigenen Wohnung zu ermöglichen.»   

Sparpotenzial in Milliardenhöhe 

Die Berechnungen und Forderungen von Procap beschränken sich aber nicht auf dieses Ungleichgewicht allein. Die Organisation weitet die Thematik aus und verweist auf die enormen Einsparmöglichkeiten, die sich dem Staat bieten würden, wenn ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen länger zu Hause wohnen könnten. «Die Schweiz könnte im Jahre 2030 2,2 Milliarden Franken einsparen, wenn der Eintritt von alten Menschen ins Pflegeheim um durchschnittlich ein Jahr verzögert wird», erklärt dazu Bernhard Stofer, Leiter des Ressorts Bauen, Wohnen und Verkehr bei Procap und Architekt ETH. Dazu müssten aber auch Unterstützungsmassnahmen wie Spitex, Haushalthilfen, Entlastungsdienste und Assistenz auf die Betroffenen abgestimmt sein und eben entsprechend konzipierte hindernisfreie Wohnungen.   

Ein Glass gefüllt mit Münzen und einer grünen Pflanze. | © unsplash Braucht man mehr Platz, kann Wohnen plötzlich sehr teuer werden. (unsplash)

Forderungen an Politik

Procap fordert deshalb, dass die Kantone die SIA-Norm 500 für hindernisfreies Bauen für verbindlich erklären und griffige kantonale Bauvorschriften für einen anpassbaren Wohnungsbau ab Gebäuden mit vier Wohnungen festlegen. Zudem sollen Programme für nachhaltige Wohnungssanierungen mit einem rollstuhlgängigen Mindeststandard lanciert und der Bau von günstigen rollstuhlgängigen Wohnungen generell gefördert und subventioniert werden. Aber auch die Wohnungseigentümer sind gefordert. Zu viele rollstuhlgängige Wohnungen sind nicht an Menschen im Rollstuhl vermietet. Die Eigentümerinnen und Eigentümer sollen in Zukunft Rollstuhlfahrende vermehrt berücksichtigen und ausserdem bei der Ausschreibung freier Wohnungen konsequent die bekannten Immobilienportale oder direkt Procap Wohnen berücksichtigen.   

Keine Wohnungen «ab Stange» 

Damit eine vermietende Person eine Wohnung als «rollstuhlgängig» ausschreiben kann, müssen für Procap folgende Minimalanforderungen erfüllt sein:  

  • Stufenloser Zugang 
  • Minimalmasse Liftkabine: 1.10 m x 1.40 m, Türbreite 80 cm 
  • Keine Niveauunterschiede in der Wohnung 
  • Korridorbreite mindestens 1.20 m 
  • Minimalbreite Türen: 80 cm, schwellenlos 
  • Minimalmasse WC/Bad: 1.70 m x 2.20 m 
  • Minimalmasse WC/Dusche: 1.65 m x 1.80 m 

Eine nach diesem Standard ausgeschriebene Wohnung erfüllt in der Regel nicht alle Anforderungen von Rollstuhlfahrenden. Mit dem Einhalten der genannten Anforderungen wird lediglich sichergestellt, dass eine Wohnung überhaupt infrage kommt. Allfällige Anpassungen müssen immer individuell vorgenommen werden. Die sieben Minimalanforderungen gehen bewusst weniger weit, als dies in den Normen für das hindernisfrei anpassbare Bauen verlangt wird. Laut Procap ist es hilfreicher, eine grössere Auswahl von Wohnungen vorzufinden, welche nur den wichtigsten Anforderungen genügen und Aus- und Umbaupotenzial haben, als eine kleine Zahl zur Auswahl zu haben, die praktisch allen Anforderungen gerecht wird. 


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