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Mein Leben mit Autismus

Mein Name ist Christian, ich bin 1986 geboren und erzähle euch meine Geschichte, wie ich nach jahrelanger Verzweiflung heute ein glückliches und erfüllendes Leben voller Vielfalt führe.

Porträtfoto von Christian mit Halbglatze und Sonnenbrille. Er lächelt in die Kamera, im Hintergrund sieht man Bäume und Büsche. | © Privataufnahme

Erst nach vielen Jahren erhielt Christian seine Autismus-Diagnose. Heute lebt er ein erfülltes und glückliches Leben. (Privataufnahme)

Ich bin in einem sehr fürsorglichen familiären Umfeld aufgewachsen und habe durch meine schon früh auffällig gewordene Andersartigkeit unser Familienleben geprägt. Meine liebevollen Eltern und Erzieherinnen erkannten schon früh, dass ich «einfach anders war als die anderen» Kinder und meine Geschwister. Meine aussergewöhnlichen Interessen in sehr jungen Jahren, meine impulsive Art und Andersartigkeit fielen auf. Nicht selten waren Gelächter im Aussen die Folge. 

Einfach anders

In ähnlicher Weise war auch mein späterer Schulalltag bis hin zur Berufsschule geprägt von Störungen in der Interaktion mit anderen. Ich fühlte mich aufgrund meiner anderen Wahrnehmung oft irritiert, hatte aber trotzdem den Wunsch, irgendwie dazuzugehören und nicht an den Rand gestellt zu werden. Oftmals passte ich mich anderen im Aussen an, leider vergeblich. Ich riskierte einiges, um nicht immer der Aussenseiter zu sein und es eskalierte hier und da, da ich im Allgemeinen nicht willkommen war. 

Ängste, Panikattacken und Zusammenbrüche

Aufgrund der Schwierigkeiten bekam ich immer mehr Angst, bis diese sich in Panikattacken äusserten. Meine Lage spitzte sich zu und ich fehlte immer öfter. Manchmal traute ich mich monatelang nicht aus dem Haus. Ich erlebte eine innere Starre und konnte nur mit Not und Mühe meinen Alltag bewältigen. Die Angst vor neuen Situationen, die Reize in Medien, die Hektik auf Strassen und in Einkaufshäusern, der Lärm in schulischen Pausenbereichen, die wechselnden Geräusche waren zu viel. Schon der kurze Schulweg bedeutete für mich einen hohen Stressfaktor. Termine, und vor allem die Gespräche mit anderen, rissen mich total aus dem Konzept und ich erlebte immer wieder Zusammenbrüche. 

« Ich spielte lieber alleine, spielte anders, redete anders, war einfach anders. »
Christian

Warum ich? 

Ich war bereits Stammgast in der schulischen Sozialberatung und suchte mir Hilfe bei diversen medizinischen Fachpersonen und Psychotherapeut:innen, gefolgt von monatelangen stationären Behandlungen. Niemand wusste, was mit mir los war. Es war eindeutig, dass viele Menschen, soziale Situationen, das Mobbing bis hin zur (Cyber)Gewalt diverse Ängste und Stress in mir auslösen. Weiter diagnostisch hingeschaut hat aber niemand. Erst nach vielen Jahren mit immer wiederkehrenden Symptomatiken, etlichen Psychotherapien und einem anstrengenden Klinikmarathon in über dreissig Kliniken innerhalb von zehn Jahren landete ich durch ein ärztliches Gutachten von einer Versicherung zu einem kompetenten Arzt, der die dringende Empfehlung aussprach, den Autismus-Verdacht bei mir abzuklären. Ich zögerte an dieser Stelle keine Sekunde und machte mir einen Termin in der nächsten Fachambulanz. Ein halbes Jahr später enthielt ich dann mit 35 Jahren endlich die eindeutige Diagnose: Autismus

Ein neuer Lebensabschnitt 

Seitdem weiss ich, warum ich so bin wie ich bin, warum ich alles so wahrnehme, interpretiere und so denke. Warum ich mich in vielen Situationen nicht wohlgefühlt habe und auch, dass ich damit nicht alleine bin. Seitdem ist bei mir so viel Klarheit und Licht ins Leben getreten. Meine engsten und liebsten Familienangehörigen sind erleichtert. An manchen Tagen neige ich immer noch zu Überforderungen, aber die Gewissheit tut allen gut. Ich wurde immer motivierter, mir selbst ein unabhängiges Leben zu erschaffen, denn ich weiss, man hat sein Glück in der eigenen Hand. 

Mit dem Vorhandensein der Diagnose stellte ich mein Leben komplett um, entschied mich dazu, in gänzlich andere Richtungen zu schauen. Ich lernte, mich angemessener wahrzunehmen, ich lernte das Fühlen nochmal auf anderen Ebenen und intensiver kennen, das Meditieren in meinen Alltag zu integrieren, war Gast in einem Yoga-Ashram und bekam hier und da Impulse, lerne seitdem immer mehr und gerne viele interessante neue Menschen kennen und bin, da wo es eben geht, gerne unterwegs. Das Gefühl von Einsamkeit verschwand dann irgendwie mehr und mehr, ich wurde selbstbewusster, gewann neuere Einsichten in mein System, lernte Skills im Umgang mit anderen Menschen und sah mich auch nicht mehr ständig hilflos ausgeliefert. Ich reaktivierte mein langjähriges Hobby, die Musikproduktion, flog vor einigen Jahren sogar für einen Städtetrip in die Staaten. 

« Wenn die richtigen Menschen, das richtige Umfeld und der richtige Rahmen, auch im Arbeitsbereich, vorhanden sind, ist das ganze Dasein von Glück umgeben. »
Christian

Im weiteren Verlauf dachte ich über das Thema geistige und körperliche Fitness nach, stellte meine Ernährung um, richtete mir einen eigenen Fitnessraum ein und treibe sehr viel Sport. Ich ernähre mich immer vollwertiger und bevorzuge eine pflanzliche Ernährung, konnte meine körperliche Fitness dadurch enorm steigern, mein Gewicht optimieren, was sich schon nach kurzer Zeit positiv auf meinen Schlaf und die tagtägliche Stimmung auswirkte. All das konnte ich mir im Vorfeld nicht einmal ansatzweise vorstellen! Damals konnte ich nicht einmal vor 12 Uhr aufstehen. Die Zusammenbrüche und Anfälle sind ebenfalls zurückgegangen, die Depression gänzlich verschwunden. Mein positiv entwickelter Glaube und die verbesserte Wahrnehmungsfähigkeit haben mich weiter gebracht. Aktuell bilde ich mich weiter und halte Ausschau nach einer sinnvollen beruflichen Perspektive, würde auch gerne in einem geeignetem Rahmen schulisch durchstarten und danach vielleicht ein Studium anvisieren.

Ich wünsche allen Betroffenen und auch Angehörigen einen aufrichtigen positiven Glauben, um einfach stabiler oder eines Tages vielleicht ganz gesund zu sein. Es gibt Hoffnung und es kann sehr heilvoll sein, wenn man daran glaubt und neue, ganzheitliche Schritte in ein gesünderes Bewusstsein wagt, Geduld bewahrt und sich nicht von aussen aus der Bahn bringen lässt.

Christian


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