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«Ich liebe die Kombination von Schnelligkeit, Dynamik und Taktik beim Powerchair Hockey»

Noé Spirig ist Nationalspieler bei der Schweizer Powerchair Hockey Mannschaft. Das grösste Highlight in diesem Jahr: Die Weltmeisterschaft (WM) im eigenen Land. Was der Sport für ihn bedeutet und wie die Vorbereitungen für die WM aussehen, erfahren Sie im Interview.

Noé Spirig beim Training im Elektro-Rollstuhl in der Turnhalle. | © Privataufnahme

Noé Spirig ist Nationalspieler bei der Schweizer Powerchair Hockey Mannschaft. (Privataufnahme)

Wie bist du zum Powerchair Hockey gekommen?

Das ist eine lustige Geschichte. Meine Mutter ist per Zufall auf den Sport gestossen, als ich sechs Jahre alt war. Damals hiess es noch, ich wäre zu jung. Und als es meine Mutter endlich hingekriegt hat, dass ich doch zum Probetraining durfte, wollte ich eigentlich gar nicht mehr. Meine Mutter musste mich dann ziemlich pushen, damit ich doch wenigstens einmal ins Probetraining gehe. Zu meinem Glück. Denn nach zehn Minuten war ich bereits total angefressen und es war klar für mich, dass ich weiterspielen möchte. Noch heute spiele ich seit mittlerweile 15 Jahren beim selben Verein, den Iron Cats in Zürich.

Was fasziniert dich am Hockey-Sport?

Ich finde es total cool, dass alle mitspielen können. Auch jene, die schwerere körperliche Behinderungen haben. Gerade für mich war eine Sportart im Handrollstuhl nie möglich. Powerchair Hockey ist eine der wenigen Sportarten, die mit dem Elektrorollstuhl gespielt werden kann – und wird deshalb auch als Elektrorollstuhl-Hockey oder E-Hockey bezeichnet. Es ist ein schneller, dynamischer Sport, bei dem auch Taktik sehr wichtig ist. Ich war immer sehr sportinteressiert und hatte so die Möglichkeit, mich beim Powerchair Hockey auszuleben. Ich liebe diesen Sport und wollte auch nie eine andere Sportart ausprobieren.

« Ich empfehle Powerchair Hockey allen, die Lust haben, Sport zu treiben und Hockey spannend finden. »
Noé Spirig
Ihr spielt aber nicht mit euren «normalen» Elektrorollstühlen, sondern mit speziellen Sportrollstühlen. Wo liegt der Unterschied?

Hauptunterschied ist, dass der Sportrollstuhl extra fürs Hockey konzipiert wird. Die Rollstühle sind schneller und wendiger. Ausserdem sind sie kleiner, kompakter und haben Schutze dran, falls es mal einen Crash gibt. Aber auf der Strasse wären sie nicht praktikabel. Ein solcher Stuhl ist ausserdem sehr teuer. Es gibt jedoch die Möglichkeit einen Antrag an die Pro Infirmis zu stellen oder private Sponsoren suchen.

Kann ich auch Powerchair Hockey spielen, wenn ich keinen Sportrollstuhl habe?

Ja, doch, das kann man. Es macht auch Sinn, den Sport mal mit dem eigenen Elektrorollstuhl auszuprobieren und zu schauen, ob es einem Spass macht. Wenn man den Sport regelmässig betreiben möchte, lohnt es sich allerdings schon einen Sportrollstuhl anzuschaffen, auch wenn er sehr teuer ist. Je nachdem kann man das Sportgerät von anderen oder ältere Modelle auch vorher mal beim eigenen Verein ausprobieren.

Ist ein Spiel im Elektrorollstuhl überhaupt anstrengend?

Doch, das ist es auf jeden Fall. Also ich bin nach den Trainings fix und fertig. Vor allem koordinativ ist der Sport sehr anstrengend, weil man spielen muss und gleichzeitig einen Rollstuhl mit 15 Kilometern pro Stunde fährt. Gleichzeitig ist es auch taktisch herausfordernd, da wir uns hier bereits auf einem hohen Niveau bewegen. Hinzu kommt ein spezielles Klassifizierungssystem, welches ebenfalls eine gewisse taktische Finesse verlangt.

Wie funktioniert dieses Klassifizierungssystem?

Das System wurde eingeführt, um die Chancengleichheit unter den Teams zu gewährleisten. Es sieht vor, dass die fünf Spieler auf dem Feld zusammen maximal zwölf Punkte haben dürfen. Jede:r Spieler:in hat, entsprechend seinen physischen Möglichkeiten, seine eigene Klassifizierung. Dabei ist 4,5 die höchste und 0,5 die tiefste Punktzahl. Zudem gibt es noch verschiedene Spielertypen: die Handstick-Spieler und die T-stick-Spieler. Die Handstick-Spieler haben einen normalen Unihockeystock und sind für alle Aufgaben mit dem Ball, wie passen, führen und schiessen zuständig. Bei den T-stick-Spielern ist der Stock am fix am Rollstuhl befestigt. Die Spieler verschaffen den anderen Platz oder blocken den Gegner. Im Spiel sind immer mindestens zwei T-Stick-Spieler auf dem Feld, wobei der Torwart zwingend immer einer davon ist.

Wie bist du klassifiziert?

Ich spiele primär Handstick, kann aber auch T-stick. Meine Punktzahl ist 2. Ich bin entsprechend sehr flexibel einsetzbar.

Wie wird man denn klassifiziert?

Physiotherapeut:innen und Ärzt:innen nehmen an festgelegten Daten die Klassifizierung vor. Dies mit Hilfe von Aufgaben, die die physischen Möglichkeiten festlegen. Wenn du bei einem Verein auch an Turnieren oder Spieltagen spielen möchtest, musst du zuerst klassifiziert werden. 

Noé Spirig, von hinten aufgenommen, bei einem Spiel der Schweizer Powerchair Hockey Nationalmannschaft. | © Privataufnahme Noé Spirig liebt die Schnelligkeit, Dynamik und Taktik beim Powerchair Hockey. (Privataufnahme)
Jetzt haben wir schon viel über die Sportart erfahren. Aber was ist Powerchair Hockey genau?

Powerchair Hockey oder Elektrorollstuhl-Hockey ist vergleichbar mit Unihockey, aber mit Besonderheiten. So sind nur fünf Spieler auf dem Feld. Ausserdem muss der Ball immer flach gespielt werden und darf nicht höher als zwanzig Zen­ti­me­ter über Boden fliegen. Hinzukommen Tempomessungen, da maximal 15 Kilometer pro Stunde erlaubt sind. Wir haben auch andere Sanktionen: Die grüne Karte ist eine Verwarnung, die gelbe bedeutet zwei Minuten Strafe und bei der Roten Karte ist man für das laufende und das nächste Spiel gesperrt.

Wem würdest du Powerchair Hockey empfehlen? Und wie finde ich den passenden Verein?

Prinzipiell empfehle ich das Hockey allen, die Lust haben, Sport zu treiben und Hockey spannend finden. Besonders attraktiv ist der Sport für Menschen im Elektrorollstuhl oder solchen, die wenig Möglichkeiten haben, anderen Sport zu betreiben.

« Oftmals weiss man gar nicht, welche Sportangebote es überhaupt gibt. »
Noé Spirig

Wie man einen passenden Verein findet, ist die grössere Problematik. Nicht, weil es sie nicht gibt, sondern weil man schlicht und einfach nicht weiss, dass es diesen Sport gibt. Personen, die in einer Institution leben, wissen oftmals über die verschiedenen Sportarten Bescheid. Wer aber Zuhause lebt und die Regelschule besucht, wie ich, weiss oftmals nicht, welche Sportangebote es überhaupt gibt. Wenn meine Mutter nicht per Zufall über das Angebot gestolpert wäre, hätte ich womöglich nie davon erfahren. Ich ermutige alle, selbstständig zu suchen und dranzubleiben. Denn es gibt spannende Sportarten, auch für Menschen mit starken Behinderungen.

Die WM im Sommer ist ein riesiges Highlight. Was bedeutet es, die WM im eigenen Land auszutragen?

Es bedeutet sehr viel. Es ist sowieso immer grossartig an einer WM teilnehmen zu können, aber im eigenen Land ist es natürlich nochmals spezieller. Wir sind gerade mitten in den Vorbereitungen.

Wie sehen die Vorbereitungen für die WM aus? Wie oft trainierst du?

Es wird noch häufiger trainiert, als sowieso schon. Wir trainieren zweimal unter der Woche und einmal im Monat ein ganzes Wochenende in Nottwil  – sowie an allen verlängerten Wochenenden. Dies ist sehr intensiv, da nebenher noch der normale Liga-Betrieb läuft und ich auch noch studiere. Allerdings macht es mir grossen Spass und ich nehme diese Anstrengungen gerne in Kauf.

Welche Ambitionen hast du und das Schweizer Team?

Wir würden gerne bis ganz zum Schluss vorne dabei sein. Und natürlich, wenn möglich, ins Final kommen. Aber mal schauen. Holland, Deutschland und natürlich Italien, als aktueller Weltmeister, sind die Favoriten. An dieser WM ist ausserdem speziell, dass ausnahmsweise zehn statt acht Teams teilnehmen. Dies, weil die EM 2020 in Finnland leider coronabedingt abgesagt werden musste. Die meisten Mannschaften kommen aus Europa, aber langsam zieht der Sport auch in Amerika und Asien an. Zum Glück. Denn Ziel der WM ist es auch, Nachwuchs zu generieren und den Sport bekannter zu machen.

Das tönt alles sehr intensiv. Wo holst du dir die Energie?

Auf meinem Niveau ist der Sport tatsächlich sehr energie- und zeitraubend. Aber er gibt mir auch sehr viel. Wenn wir mal nicht trainieren können, wie zum Beispiel während der Coronazeit, fehlt mir der Sport sehr. Beim Hockey kann ich abschalten und mich auf anderes konzentrieren als zum Beispiel den Unistoff. Mein Umfeld ist zudem eine sehr grosse Unterstützung und hilft mir, meine Ziele zu erreichen. 

Wir danken Noé Spirig ganz herzlich für das Interview. Noé ist Nationalspieler im Schweizer Powerchair Hockey Team und Spieler bei den Iron Cats in Zürich.


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