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Interview – Lebensfreude mit Multipler Sklerose (MS)

Katarina hat vor fünf Jahren die Diagnose Multiple Sklerose (Schubförmig RRMS) erhalten. Die zweifache Mutter erzählt im Interview, wie sie mit der Krankheit umgeht, was ihr Energie gibt und woher sie ihre Lebensfreude schöpft.

Mutter sitzt mit ihren beiden Kindern auf dem Sofa. | © unplash

Auch mit MS ist ein erfülltes Leben möglich. (unplash)

Du hast vor fünf Jahren die Diagnose Multiple Sklerose erhalten. Wie ist es zur Diagnose gekommen?

Es war ein sehr langer Weg, der sich über zwei Jahre hingezogen hat, bis ich dann endlich die Diagnose Multiple Sklerose hatte. Bis zur Diagnose war ich ungefähr bei zehn verschiedenen Ärzt:innen. Die Ärzt:innen nahmen mich nicht ernst. Sie stellten verschiedene falsche Diagnosen. Beispielsweise wurde vermutet, dass es psychisch sei, da es so viele verschiedene Symptome waren. Für mich war es klar, dass es nicht psychisch bedingt war. Ich merkte, dass was nicht stimmte. Man hatte auch MRIs gemacht, da der Verdacht auf einen Tumor aufkam, aufgrund der Gleichgewichtsprobleme. Erst später merkte man, dass auf diesen MRI Bildern die Läsionen erkennbar waren und man zu diesem Zeitpunkt die Diagnose Multiple Sklerose bereits hätte stellen müssen.

Ein anderer Arzt verschrieb mir Physiotherapie, da ich meine Beine nicht spüren konnte. Die Ärzt:innen haben jeweils das gesucht, was sie vermutet haben, dass es sei. Alles andere wurde ausgeblendet und nicht weiter untersucht. Es war ein langes hin und her und dauerte zwei Jahre bis dann ein Arzt meinte, man müsse es neurologisch abklären, wo es dann zur Diagnose Multiple Sklerose kam.

Wie ist es nach der Diagnose weitergegangen (medizinisch und persönlich)? Hast du gleich mit Therapien begonnen?

Die Diagnose war für mich wie eine Befreiung. Ich war einfach nur froh zu wissen, was es ist. So konnte ich mich endlich damit auseinandersetzen und mich informieren, und, ich wusste, dass ich mir nicht alles nur eingebildet habe. Nach dem ich mich informiert habe, wurde für mich klar, dass ich alles ausschöpfen wollte, was die Medizin anbietet. Der behandelnde Neurologe empfahl zunächst eine Kortison-Therapie, um die Entzündungen zu stoppen. Nach der Kortison-Therapie hat er mich über die verschiedenen medikamentösen Behandlungen aufgeklärt.

Ich musste aber feststellen, dass es für kein Medikament eine Garantie gibt, dass es wirkt und die Krankheit tatsächlich hinauszögert. Zudem kommen zu jedem Medikament mögliche Nebenwirkungen hinzu. Nach 2 Jahren war ich sehr gut auf die Medikamente eingestellt und hatte keinen weiteren Schub mehr. So entschloss ich mich die Medikamente abzusetzen und medikamentenfrei zu leben. Dies ging auch während einem Jahr sehr gut. Bei der nächsten Kontrolle fand man dann aber drei neue Läsionen, welche ich gar nicht bemerkt habe. Nach diesem Befund war es für mich klar, dass ich nicht mehr auf Medikamente verzichten wollte. Der Hauptgrund ist vermutlich meine Kinder. Ihnen gegenüber will ich mich der Therapie unterziehen und alles menschenmögliche Unternehmen gegen die Krankheit. Ansonsten hätte ich ein schlechtes Gewissen. Natürlich schaue ich auch auf meine Ernährung und mache Sport. Für mich sind die Medikamente eine Sicherheit im Hintergrund.

Was hat dir geholfen, mit der Diagnose umzugehen?

Zunächst muss ich nochmals sagen, dass ich ja froh war, dass man bei mir endlich eine Diagnose feststellte. Bei der Verarbeitung der Diagnose hat mir mein Trotz sehr geholfen. Es hat in mir eine richtig gehende Trotzreaktion ausgelöst. Ich wollte mich nicht im Leid suhlen. Zu dieser Zeit hat man im Internet fast nur Negatives über Multiple Sklerose gefunden. Die Quintessenz der Informationen im Internet war, dass das Leben bald vorbei sei und man morgen im Rollstuhl sitzt.

Mir war von Anfang klar, dass ich aus der Situation das Beste machen will und mir nicht das Leben von der Krankheit bestimmen lasse. Solang es mir den Umständen entsprechend gut geht, will ich das Leben geniessen. Was morgen und was übermorgen ist, weiss niemand. Das gilt nicht nur für die Multiple Sklerose Betroffene. Klar ist die Unsicherheit was die Zukunft angeht mit Multiple Sklerose grösser, dennoch, man weiss nie was morgen ist. Aber deswegen muss ich mir ja nicht die Freude am Leben nehmen lassen.

Diskussionen in der Community

Wie geht dein Umfeld mit deiner MS-Erkrankung um? Wird Multiple Sklerose eher tabuisiert oder wird offen darüber gesprochen?

Ich habe mein Umfeld sogleich informiert und habe ihnen gesagt, dass die Krankheit nicht bei jedem Treffen das Thema sein muss. Wenn sie sich interessieren und wissen wollen, wie es mir geht, dann dürfen sie gerne nachfragen. Sie müssen aber nicht das Gefühl haben, sie sollen ständig nachfragen. Mir ist einfach wichtig, dass man mich nicht mit der Krankheit definiert. Es ist nun mal jetzt ein Teil von meinem Leben, aber es ist nicht meine Persönlichkeit. Ich lege es nicht darauf an, die Krankheit zu erwähnen. Wenn es aber thematisiert wird und man mich darauf anspricht, dann gebe ich gerne Auskunft. Viele Leute aus dem weiteren Umfeld reagieren dann sehr überrascht und meinen, dass man es mir ja gar nicht ansieht. Klar sieht man es mir nicht an. Viele Symptome sind ja auch nicht ersichtlich, wie bspw. die chronische Müdigkeit oder meine Sensibilitätsstörungen. Viele Symptome von Multipler Sklerose sind unsichtbar und trotzdem immer da.

Du bist arbeitstätig, Mutter von zwei Kindern und engagierst dich für verschiedene MS-Projekte. Wie schaffst du das alles?

Ich habe nicht von Anfang an alles gemacht. Als ich die Diagnose erhielt, waren meine beiden Kinder noch jünger und ich noch nicht arbeitstätig. Natürlich war es auch in dieser Zeit sehr anspruchsvoll und streng. Mein Neurologe riet mir, mich zu schonen. Aber auch hier löste der wohlgemeinte Ratschlag vom Neurologen eine Trotzreaktion in mir aus. Ich musste bald aber lernen, wie ich mit der vermehrt auftretenden Müdigkeit und anderen Symptomen umgehe. Wichtig für mich ist beispielsweise, dass ich mittags eine Pause mache und ich mich ausruhen kann.

Mit der Zeit habe ich gelernt, meine Energie einzuteilen und bewusste Pausen einzulegen. Denn selbstverständlich hat der Neurologe recht, dass man nicht mehr gleich viel Energie hat wie früher. Darum ist es sehr wichtig, Prioritäten zu setzen, schauen was einem wichtig ist und halt wirklich auch Pausen zu machen und dabei kein schlechtes Gewissen zu haben.

Auf die vielen Projekte kann ich aber nicht verzichten, sie machen mir Freude und dadurch schöpfe ich auch viel Kraft. Natürlich gibt es auch Tage, an denen es nicht gut geht und ich müde bin und mich nicht konzentrieren kann. Aber das gilt es zu akzeptieren und damit muss man lernen umzugehen und sich eingestehen, dass man krank ist und auf sich selbst Rücksicht nimmt.

Du bist Autorin des Blogs «staublos», wie ist es dazu gekommen und welche Motivation treibt dich an?

Als ich die Diagnose erhielt, las ich alles, was ich über die Krankheit fand. Ich wollte wissen, was es heisst, mit Multiple Sklerose zu leben und wie andere Betroffene damit umgehen. Nach circa einem Jahr mit der Diagnose fing ich an meine Erfahrungen mit der Krankheit in Form eines Blogs niederzuschreiben.

Dass das Echo so riesig werden würde und ich so viele Zuschriften und Kontaktaufnahmen aus der Schweiz und aus dem Ausland erhalte, damit hatte ich aber nicht gerechnet. Die vielen Feedbacks sind für mich die Motivation, den Blog weiterzuführen und meine Einstellung zur Krankheit kundzutun. Ich will zeigen, dass das Leben mit Multiple Sklerose nicht so schlecht sein muss, wie es erscheinen mag, wenn man sich bloss oberflächlich mit der Krankheit auseinandersetzt. Der Blog soll eine Gegenbewegung sein gegen die bestehenden Bilder und Vorurteile zum oftmals veralteten Bild von Multiple Sklerose.

Wenn man die Diagnose Multiple Sklerose erhält, ist die Anfangszeit und der Umgang mit der Krankheit sehr entscheidend. Dazu gehören das Umfeld, der Arzt und natürlich auch die Informationen, die man im Internet liest. Hätte ich alles umgesetzt, was man mir angeboten hatte, würde ich nicht so gut mit der Krankheit umgehen können, wie ich es heute kann. Der Austausch mit anderen Betroffenen ist gerade für Neubetroffene sehr wichtig. Ihnen muss man nach dem ersten Schock Mut zusprechen und zeigen, dass das Leben weitergeht. Eine positive Einstellung zur Krankheit macht vieles einfacher.


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