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Gewaltträume als Vorboten der Parkinson-Krankheit

Gewaltträume als Vorboten der Parkinson-Krankheit

Wer nachts im Schlaf spricht oder schreit, um sich schlägt, Tritte verteilt und bisweilen seinen Bettpartner verletzt, ist nicht von Natur aus aggressiv.

Wer nachts im Schlaf spricht oder schreit, um sich schlägt, Tritte verteilt und bisweilen seinen Bettpartner verletzt, ist nicht von Natur aus aggressiv: Vielmehr liegt eine Traum-Schlaf-Verhaltensstörung vor, die ein Frühzeichen für ernste neurodegenerative Erkrankungen sein könnte.
„60 bis 70 Prozent der Patienten, die an dieser „REM-Schlaf-Verhaltensstörung“ leiden, entwickeln nach 10 bis 30 Jahren Morbus Parkinson oder die seltenere neurodegenerative Erkrankung Multisystematrophie (MSA)“, sagte Professor Wolfgang Oertel, Direktor der Klinik für Neurologie an der Philipps Universität Marburg auf einem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Hamburg.
Diese Traum-Schlafverhaltensstörung wird RBD genannt, oder lang: Rapid Eye Movement Sleep Behavior Disorder. Ärzte und Forscher untersuchen dieses Phänomen immer intensiver: erstens, um eine Therapie für die Betroffenen zu finden. Und zweitens, weil die Wissenschaft derzeit nach geeigneten Frühzeichen für neurodegenerative Erkrankungen wie der Parkinson- und der Alzheimer-Krankheit sucht.
Gesellschaftliche Bedeutung und ethische Komponente
Die Idee dieser Forschung: Wird die Erkrankungsanlage erkannt bevor sich die Krankheit vollständig ausprägt, steigt die Chance, dass eine Behandlung den Krankheitsverlauf verzögert oder vielleicht sogar stoppt. „Wir entwickeln derzeit neue Methoden für krankheitsmodifizierende bzw. Neuroprotektions-Studien“, erläuterte Oertel. „Mit der zunehmenden Zahl an älteren Menschen und damit der Zahl der Patienten ist diese Forschung nicht nur von therapeutischer, sondern auch von herausragender gesundheitspolitischer und gesundheits-ökonomischer Bedeutung.“
In Deutschland existiert bereits eine RBD-Studiengruppe, die in Marburg gegründet und von dort aus koordiniert wird. Die Gründung einer internationalen RBD-Studiengruppe erfolgte ebenfalls in der Universitätsstadt an der Lahn. Die Studiengruppe sucht noch Patienten, die an diesen Untersuchungen teilnehmen – auch wenn im Fall der Fälle heute noch keine heilenden oder zufriedenstellenden Therapien zur Verfügung stehen. So hat diese Forschung auch eine ethische Komponente: Nicht jeder erträgt es zu wissen, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit eines Tages an der Parkinson-Krankheit leiden wird.
RBD ist eine Männerkrankheit
Die REM-Schlafverhaltensstörung wurde 1986 erstmals beschrieben und beginnt meist jenseits des 50. Lebensjahres. Männer (87,5 Prozent) sind wesentlich häufiger betroffen als Frauen. Eine von 200.000 Personen erkrankt daran. Sie tritt im REM-Schlaf und darum vor allem in der zweiten Nachthälfte auf. Bei der RBD ist die Muskelerschlaffung im Schlaf aufgehoben, gleichzeitig kommt es zu aggressiven, oft gewalttätigen Trauminhalten. Die Patienten erleben diese Träume regelrecht und führen zielgerichtete, typischerweise schlagende und tretende Bewegungen aus. Häufig kommt es während der Schlafstörung zu Selbst- oder Fremdverletzungen.
Die Patienten haben zwar in der Regel kein Bewusstsein für ihre Bewegungen, berichten aber beispielsweise davon, dass sie geträumt haben, dass sie angegriffen wurden und sich zur Wehr setzen mussten. Oft attackieren sie aus dem Schlaf heraus den Bettpartner oder verletzen sich selbst durch einen Sturz aus dem Bett oder schlagen gegen die Bettkante.
Diagnose und Therapie
Typische Anzeichen sind die Bewegungen in der zweiten Nachthälfte und das potenziell selbst- oder fremdgefährdende Verhalten. Auch Medikamente wie trizyklische Antidepressiva können Auslöser sein. Bei Verdacht auf RBD liefert den Beweis die Video-Polysomnografie, eine kaum belastende Ableitung von Gehirnaktivität und Muskelaktivität im Schlaf, die mittlerweile zur Standardausstattung jedes Schlaflabors gehört. Zur Behandlung werden das Benzodiazepin Clonazepam oder Melatonin eingesetzt, wobei für beide Substanzen noch grosse Therapiestudien fehlen.
„Wird die Diagnose RBD gestellt, sollten eventuelle Anzeichen von neurodegenerativen Erkrankungen unbedingt abgeklärt werden“, empfiehlt Oertel. Patienten sollten darüber hinaus über die typischen Warnzeichen und Symptome von Parkinson, MSA, Demenz und verwandte Krankheiten hinreichend informiert werden. (DGN/MyHandicap/pg)