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Das Gehirn erinnert sich fehlender Gliedmassen

Das Gehirn erinnert sich fehlender Gliedmassen

Schmerzforscher der Uni Jena finden anatomische Veränderungen im Gehirn von Amputierten.

Phantomschmerzen können Patienten das Leben zur Hölle machen. Nahezu jeder Patient berichtet nach einer Amputation von sogenannten Phantomsensationen. Diese Empfindungen können von leichter Intensität sein, etwa in Form von Wetterfühligkeit, aber auch so heftig, dass manche Patienten als letzten Ausweg den Suizid in Erwägung ziehen.
Es handle sich keineswegs um ein singuläres Phänomen, sagt Prof. Dr. Thomas Weiss von der Universität Jena. Weiss leitet eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zur Erforschung von Phantomschmerzen. In einem gerade beendeten Projekt hat die Arbeitsgruppe untersucht, ob es anatomische Veränderungen im Gehirn von Amputierten gibt.
„Wir konnten zeigen, dass nach einer Amputation das Volumen in Kortexarealen zunimmt, die dem dorsalen und ventralen visuellen Pfaden zugerechnet werden“, sagt Dr. Sandra Preissler von der Arbeitsgruppe um Prof. Weiss. Erklären lässt sich dieser Befund mit der Tatsache, dass Patienten mit einer Prothese bestimmte Bewegungsabläufe visuell kontrollieren bzw. steuern müssen, die ein gesunder Mensch automatisiert verrichtet.
Zusammenhang mit Prothesennutzung
Interessanterweise fällt diese Volumenzunahme bei Patienten mit starken Phantomschmerzen geringer aus, sagt Preißler. Thomas Weiss vermutet einen Zusammenhang mit der Prothesennutzung: „Patienten, die ihre Prothese oft tragen und benutzen, trainieren zugleich die für das Visuelle zuständigen Hirnareale.“
Nachbarstrukturen "erobern" freiwerdende Hirnareale
Insgesamt 28 Patienten nahmen an der Studie teil. Darunter waren Schmerzpatienten und Patienten mit leichten oder ohne Beschwerden. Die Gehirnscans wurden per hochauflösendem Magnet-Resonanz-Tomographen erstellt. Die Jenaer Wissenschaftler konnten auch nachweisen, dass die durch den Verlust einer Hand oder eines Armes freiwerdenden Hirnareale von ihren Nachbarstrukturen „erobert“ werden. Offensichtlich greife hier jener evolutionäre Effekt, der beispielsweise die Steuerungs-Areale der Spielhand von Violinisten wachsen lässt.
Sandra Preissler hat ein anschauliches Bild für dieses Phänomen gefunden: „Es ist zu vergleichen mit einer Wiese, die nicht mehr gepflegt und nun von den umgebenden Gebüschen zurückerobert wird.“ Thomas Weiß konstatiert, dass dieser Effekt ein Beleg für die hohe Dynamik des Systems Gehirn ist. Noch sei keine therapeutische Relevanz der Forschungsergebnisse gegeben, sagt Weiss. Doch die Forschung geht weiter. (Friedrich Schiller-Universität Jena/MyHandicap/pg)