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Wissenswertes zur IV

Der Anspruch von Menschen mit Behinderungen an die Gesellschaft ist keinesfalls gross oder unerfüllbar. Es ist legitim gesellschaftliche Teilhabe, Diskriminierungsschutz und die gleiche Chance ein erfülltes Leben zu führen einzufordern. Dennoch hat es in der Schweiz lange gedauert, bis dieser Anspruch durch die Rechtsprechung, sowie der Schaffung entsprechender sozialer und politischer Strukturen, in die Realität überführt wurde.

Für wen ist die IV zuständig? Wir geben Antworten. | © pixabay

Für wen ist die IV zuständig? Wir geben Antworten. (pixabay)

Die Anfänge der Invalidenversicherung in der Schweiz

Menschen mit Behinderungen wollen im Alltag möglichst selbstständig sein und sich unabhängig bewegen können. Um ein aktives und zufriedenes Leben zu führen, bedarf es hochspezialisierter medizinischer Betreuung, sowie Eingliederungshilfen in Beruf, Familie und Gesellschaft. Das ist heute eine Selbstverständlichkeit, war aber jahrzehntelang Gegenstand zähen politischen Ringens und Bemühens.

Die Grundlagen der Versorgung von Menschen mit Behinderungen wurden erst im Zuge der Industrialisierung gelegt. Die Arbeit dieser ersten Kranken-, Invaliden- und Sterbekassen war schliesslich auch Grundlage für die Forderung nach einer Invalidenversicherung (IV) – die noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Parlament scheiterte. Bis zu deren erfolgreichen Durchsetzung im Jahr 1960 hatten sich daher verschiedene Gruppen und Vereine, die sich der Behindertenfürsorge verschrieben hatten, zum Dachverband Pro Infirmis zusammengeschlossen. Teilweise durch Bundesgelder unterstützt, übernahm der Verband bis zur Einführung der IV die finanzielle Hilfestellung für Menschen mit Behinderung.

Die staatliche Unfallversicherung und der Weg zum IV-Gesetz

Schneller als die IV konnte das Parlament hingegen die Unfallversicherung durchbringen: Mit der 1918 eingeführten staatlichen Unfallversicherung waren Arbeitende laut Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (KUVG) durch die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) vor Unfallfolgen und Invalidität abgesichert, die im Schadensfall für die Heil- und Rehabilitationskosten aufkam – inklusive einer Invalidenrente bei dauerhafter (Teil-)Erwerbsunfähigkeit.

Angesichts wachsenden Drucks der Gemeinden, die, anbetrachts knapper Kassen und steigenden Fürsorge-Aufwendungen, auf staatliche finanzielle Unterstützung für die damals rund 50'000 Menschen mit Behinderungen drängten, wurden zwei Volksinitiativen Mitte der 50er Jahre initiiert. Letztlich bewegten sie den Schweizer Bundesrat zur Durchführung einer Invalidenversicherungsreform, die in die Verabschiedung einer ersten eidgenössischen Invalidenversicherung im Jahr 1959 mündete.

Soziale Verantwortung macht auch vor Behinderung nicht Halt

Konzeptuell sah das neue Gesetz eine allumfassende Versorgung aller Bevölkerungsschichten inklusive einer Rente im Versicherungsfall vor. Vor dem Hintergrund damaliger bisheriger Einzelfallentscheidungen kann die bundesweite Einführung einer generellen Regelung als Erfolg gewertet werden, zumal erstmalig eine Versicherung auch Fälle geistiger Behinderung und Behinderungen aufgrund von Geburtsfehlern miteinschloss.

Im Verbund mit Behindertenwerkstätten und Berufsberatungsstellen sah das neue Gesetz auch Massnahmen zur systematischen beruflichen Wiedereingliederung und ein breites Spektrum medizinischer Rehabilitationsmassnahmen vor. Dadurch sollten aus staatlicher Sicht immer weniger Erwerbstätige, für immer kürzere Zeitintervalle, die öffentliche Hand belasten.

Die Invalidenversicherung – mehr als eine Behörde

Die Aufgabe der IV besteht darin, die finanziellen Folgen behinderungsbedingter Erwerbsunfähigkeit mittels einer Rente oder der Eingliederung ins Erwerbsleben zu lindern. Seit 1992 sind hierfür regionale Invalidenversicherungsstellen und kantonale Teams verantwortlich. Diese tauschen sich untereinander aus und arbeiten überregional zusammen, immer im Verbund mit den 2005 neu geschaffenen ärztlichen Diensten (RAD).

Die IV stellt in ihrer heutigen Form weniger eine verwaltende Behörde als ein publikumsorientiertes Dienstleistungsunternehmendar. Ziel der Zusammenarbeit ist das Finden von fallspezifisch erörterten, zufriedenstellenden und individuellen Lösungen.

Drei Personen sitzen in einem Büro, einer von ihnen ist im Rollstuhl und hat eine Prothese. | © unsplash Die IV-Stellen helfen bei der Wiedereingliederung im Job.

Die gesetzlichen IV-Nachbesserungen von 2004

Mit der vierten Revision sollte den stark steigenden Zahlen an Invalidenrenten und der damit verbundenen Kostenexplosion entgegengewirkt werden. Mit einem stärkeren Fokus auf dem Prinzip der Eingliederung sollte gerade für jüngere Menschen mit Behinderungen ein Anreiz zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt geschaffen und eine neue berufliche Perspektive eröffnet werden. Eigenverantwortung und Selbstbestimmung statt frühzeitige Verrentung lautete die Devise.

Für die Umsetzung dieser Nachbesserungen wurde eine personelle Aufrüstung notwendig: IV-Stellen wurden mit besonders geschulten Eingliederungsfachkräften besetzt, zu deren neuen Aufgaben das aktive Betreuen der Menschen mit Behinderungen wie auch der involvierten Arbeitgebenden bei der Wiedereingliederung bzw. dem Verbleib im Arbeitsmarkt gehörte. Denn die Revision des Gesetzes schliesst auch eine umfassende Beratung der jeweiligen Arbeitgebenden mit ein, um Möglichkeiten und Chancen zu sondieren, Betroffene auf Dauer in Beschäftigung zu halten.

Grundsätzliches zur IV

Grundsätzlich stehen medizinische und berufliche Eingliederungsmassnahmen der IV jeder versicherten Person zu, die in der Schweiz wohnt oder arbeitet. Denn im Gegensatz zur Unfallversicherung deckt die Invalidenversicherung die gesamte Bevölkerung ab. Alle leisten, egal ob erwerbstätig oder nicht, mit obligatorischen monatlichen Zahlungen ihren Beitrag dazu. Ausserhalb des Landes lebende Bürgerinnen und Bürger der Schweiz können sich unter bestimmten Voraussetzungen freiwillig versichern.

Da der Massnahmenkatalog hinsichtlich Früherkennung und Frühintervention 2006 noch einmal ausgeweitet und Verbesserungen in der Zusammenarbeit mit anderen Institutionen vorangetrieben wurden, werden Renten jedoch sehr viel seltener zugeteilt. Die Fokussierung auf die Wiedereingliederung soll verhindern, dass gesundheitlich beeinträchtigte Männer und Frauen aus dem Arbeitsprozess herausfallen und zu dauerhaften Rentenbezügerinnen und -bezügern werden.

Was ist Invalidität? 

Es ist wichtig darauf zu hinzuweisen, dass es sich bei dem Wort «Invalidität» eigentlich um ein veraltetes Wort handelt, dass nicht dem aktuellen sprachlichen Umgang in Hinsicht auf Menschen mit Behinderungen entspricht. Da es aber weiterhin eine Rolle in der Schweizer Gesetzgebung und den Behörden spielt, erklären wir dessen gesetzliche Definitionen hier aber trotzdem. 

Die Invalidenversicherung selbst definiert Invalidität als einen aufgrund von Krankheit, Unfall oder Geburtsereignis eingetretenen körperlichen, psychischen oder geistigen Gesundheitsschaden, der zu einer dauerhaften oder über längere Zeit teilweise oder ganz bestehenden Erwerbsunfähigkeit geführt hat. 

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) bildet seit 2004 die Basis, um gesellschaftliche Einschränkungen für Menschen mit Behinderung zu beseitigen, seien sie materieller (bauliche Zugangsschranken, wirtschaftliche Benachteiligungen) oder geistiger (gesellschaftliche Vorbehalte) Natur. Das BehiG sieht die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen als zentrale gesellschaftliche Aufgabe an.

Ein Rentenanspruch besteht ab einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 Prozent. Dabei gibt die Höhe des Invaliditätsgrades an, ob Anspruch auf eine ganze Rente, eine Dreiviertelsrente, eine halbe Rente oder eine Viertelsrente besteht:

Invaliditätsgrad und Rentenanspruch

  • IV-Grad 40 bis 49 Prozent: Die Rente beträgt 25 Prozent einer ganzen Rente. Erhöht sich der IV-Grad, erhöht sich auch die Rente, und zwar um 2,5 Prozent pro IV-Grad. 
  • IV-Grad 50 bis 59 Prozent: Die Rente beträgt 50 Prozent einer ganzen Rente. Ab einem IV-Grad von 51 Prozent entspricht die Rente genau dem IV-Grad.  
  • IV-Grad 60 bis 69 Prozent: Die Rente entspricht genau dem IV-Grad. 
  • IV-Grad 70 bis 100 Prozent: Die Rente entspricht einer ganzen Rente.

Das durchschnittliche Jahreseinkommen, auf das seit dem 20. Lebensjahr AHV/IV-Beiträge entrichtet wurden, bestimmt, ob einer Person der Höchstbetrag (Maximalrente), der Mindestbetrag (Minimalrente) oder eine Rente im Zwischenbereich in der jeweiligen Kategorie zusteht. Anrechenbar sind zusätzliche Erziehungs- und Betreuungszeiten, die mit gesonderten Gutschriften berücksichtigt werden.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: mögliche Streitfälle

Grundsätzlich sind Personen mit Behinderungen nach den aktuellen IV-Revisionen verpflichtet, alles ihnen Zumutbare zu unternehmen, um ihre Erwerbsfähigkeit zu steigern. Das schliesst auch eine Aufforderung zur Eigeninitiative ein, also sich so weit als möglich selbst eingliedern zu wollen und sich beispielsweise nach einem Job umzusehen. Andererseits hat auch die IV ihrerseits die Verpflichtung, Menschen mit Behinderungen bei der Eingliederung zu unterstützen, soweit sie nicht selbst dafür sorgen können.

Parallel zu den Massnahmen müssen alle laufenden IV-Renten per Gesetz alle drei bis fünf Jahre einer erneuten Überprüfung unterzogen werden, um eventuelle Missbräuche oder die ungerechtfertigte Vergabe von Leistungen bzw. Leistungsverweigerungen bereits im Vorfeld auszuschliessen. Dennoch ist es aus Sicht beider Parteien geboten und ratsam, bei Unstimmigkeiten nachzuhaken. Gemäss Georges Pestalozzi von Integration Handicap im Gespräch mit dem SRF, ist die Streichung alter Renten oftmals nicht nur vom effektiven Gesundheitszustand abhängig, sondern auch vom Zufall. Nachträglich sei die Korrektur eines negativen Rentenentscheids vor Gericht – jedenfalls für Personen mit nicht genau feststellbaren Schmerzbildern – kaum möglich.

Fazit: Die Invaliditätsbemessung gibt wie keine andere Frage im Bereich des Sozialversicherungsrechts regelmässig Anlass zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Hilfe bei drohenden juristischen Auseinandersetzungen versprechen einerseits die Ombuds-Stellen der Schweizer Krankenversicherung sowie das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) als ein möglicher Ansprechpartner. Diesem obliegt nämlich unter anderem die Aufsicht und Koordination der unterstellten Sozialversicherungszweige, also die Kranken- und Unfallversicherung.

Gesetzeshammer und Gesetzesbücher | © pixabay Das Gesetz sieht vor, dass die IV Aufträge nur noch nach dem Zufallsprinzip zuweisen darf.

Wenn die Gesundheit nicht mehr mitspielt: Die Invalidenrente

Laut Artikel 7 über die Pflichten der versicherten Person ist gesetzlich verankert, dass die betroffene Person alles Zumutbare unternehmen muss, um Dauer und Ausmass der Arbeitsunfähigkeit zu verringern und den Eintritt einer Invalidität zu verhindern.

Dafür umfasst der Gesetzes-Katalog laut Invaliden-Bundesgesetz verschiedene Massnahmen, die eine aktive Teilnahme im Sinne einer Eingliederung ins Erwerbsleben oder in einen dem Erwerbsleben gleichgestellten Aufgabenbereich zu Grunde legen:

  • Massnahmen der Frühintervention
  • Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung
  • medizinische Behandlungen
  • Massnahmen zur Wiedereingliederung von Rentenbezügerinnen und Rentenbezüger

Zumutbar ist alles, was im Dienste einer beruflichen (Wieder-) Eingliederung steht. Die Ausnahme bilden Massnahmen, die dem Gesundheitszustand nicht angemessen sind. Über Unzumutbarkeiten von Tätigkeiten entscheiden alleine die regionalen ärztlichen Dienste. Sie stehen den IV-Stellen zur Beurteilung der medizinischen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs zur Verfügung und entscheiden weisungsgebunden und unabhängig über die funktionelle Leistungsfähigkeit der versicherten Personen im Einzelfall.

Ziel ist eine faktische Darlegung und Dokumentation eines eventuell bestehenden Leistungsanspruchs aus medizinischer Sicht. Nach mehreren Monaten Arbeitsunfähigkeit im alten Beruf kann auch die Möglichkeit einer zumutbaren Tätigkeit in einem anderen Beruf oder Aufgabenbereich in Betracht gezogen werden. Dabei wird unter dem Begriff Zumutbarkeit eine Tätigkeit laut Gesetzgeber verstanden, die dem Leiden und dem Rest der verbliebenen Arbeitsfähigkeit angepasst ist. Arbeitsunfähigkeit bemisst sich nach ärztlich beurteilter Zumutbarkeit.

Arbeitsunfähigkeit versus Erwerbsunfähigkeit

Laut suva.ch fliessen alle medizinischen Faktoren sowie Faktoren, die in direktem Zusammenhang mit der beruflichen wie ausserberuflichen Tätigkeit stehen, in eine Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ein. Dabei sind nur die einschränkenden Faktoren ausschlaggebend, die im Zusammenhang mit der bisher vollzogenen Tätigkeit stehen. Gesundheitliche Störungen müssen einen Krankheitsgrad erreichen, der das Ausüben der bisherigen Tätigkeit nicht mehr, nur eingeschränkt oder nur noch unter der Gefahr einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes ermöglicht. Die Behinderung kann physischer, geistiger oder psychischer Natur sein.

Demgegenüber bemisst sich Erwerbsunfähigkeit nicht rein nach ärztlich beurteilter Zumutbarkeit, sondern wird auf jener Basis von der Versicherung unter Mitberücksichtigung wirtschaftlicher Faktoren beurteilt und festgestellt. Dabei wird die Reduktion oder Verlust des Erwerbspotentials von Betroffenen aus ökonomischer Sicht mit eingerechnet und die Höhe der Erwerbsunfähigkeit von der Versicherung taxiert.

Invaliditätsgrad und Rentenanspruch

Als voraussichtlich bleibende, länger dauernde, ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit hat Invalidität wirtschaftliche Auswirkungen. Konkret bedeutet das beispielsweise einen Erwerbsausfall, der durch Rentenansprüche finanziell kompensiert werden kann.

Rentenleistungen dürfen frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs in Anspruch genommen werden – allerdings auch nur dann, wenn die betroffene Person nachweisen kann, dass er seiner Schadensminderungspflicht nachgekommen ist. Dies beinhaltet den Nachweis, zuvor jede dem Gesundheitszustand angemessene, zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienende Massnahme, ergebnislos unternommen zu haben.

Die bereits erwähnten vier Invaliditätsgrade sollen laut Planungen des Gesetzgebers in den nächsten IV-Revisionen weiter ausdifferenziert werden. Sie bemessen sich nach dem Vergleich zwischen bisherigen, vor der Antragstellung erworbenen Bezügen und einem fiktiv hochgerechneten Einkommen, das nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung noch erzielt werden könnte.


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