Wie der Peer-Austausch Anita neue Kraft gab
Anita* wuchs mit einer psychisch und körperlich erkrankten Mutter auf. Bereits als Kind musste sie viel Verantwortung übernehmen – bis sie an ihre Grenzen stiess. Der Austausch mit einer Peer-Helferin eröffnete ihr neue Perspektiven.

Als Young Carer musste Anita schon früh Verantwortung übernehmen. (pexels)
Schon mit acht Jahren übernahm Anita Aufgaben, die für andere Kinder ihres Alters unvorstellbar sind. Ihre Mutter ist sowohl psychisch als auch körperlich schwer erkrankt, der Vater lebt im Ausland. Im Alltag bedeutet das: Haushalt, Einkäufe, Verantwortung – all das liegt auf Anitas Schultern.
Anita ist ein sogenannter Young Carer – ein Kind oder eine Jugendliche, die eine betreuende Rolle in der Familie einnimmt, weil die Eltern dies aus gesundheitlichen Gründen nicht können. Viele Betroffene sind sich ihrer Rolle und der damit verbundenen Belastung lange nicht bewusst. So auch Anita.
«Ich hatte meine Lebensfreude verloren»
Die Dauerbelastung blieb nicht ohne Folgen. «Ich war erschöpft, konnte mich kaum noch auf mein Studium konzentrieren und hatte das Gefühl, nur noch zu funktionieren», erzählt Anita. Sie entwickelte eine Erschöpfungsdepression – der Druck, es allen recht zu machen, wurde zu gross.
In dieser schwierigen Phase wendet sich Anita im Rahmen des Young Carer-Projekts an EnableMe. Im Erstgespräch schildert sie ihre Situation – und bekommt ein Unterstützungsangebot, das speziell auf ihre Lebensrealität zugeschnitten ist: der EnableMe Peer-Austausch.
Verständnis auf Augenhöhe
Kurz darauf wird der Kontakt zu Giulia hergestellt – einer Peer-Helferin, die selbst als Young Carer aufgewachsen ist. Von Anfang an spüren beide eine Verbindung. «Es war schön, dass schwierige Themen kein Tabu waren», sagt Giulia. «Mit jemandem zu sprechen, der Ähnliches erlebt hat, macht es einfacher.» Auch Anita fühlt sich verstanden.
« Die Tipps und Berichte, wie jemand anderes mit einer ähnlichen Situation umging, helfen mir, um eigene Pläne zu machen und Gewohnheiten zu ändern. »
Der Austausch hilft Anita, sich selbst und ihre Bedürfnisse besser wahrzunehmen. Sie beginnt, klare Grenzen zu setzen: «Ich sage nicht mehr zu allem Ja. Ich fahre nicht mehr bei jeder Kleinigkeit zu meiner Mutter. Sie muss selbst entscheiden, ob sie genug Energie dafür hat.»
Peer-Programm für Jugendliche
Mit unserem Peer-Programm «Jugendliche helfen Jugendlichen» bieten wir Unterstützung von Selbstbetroffenen. Unsere freiwilligen jungen Helfer:innen geben Kindern und Jugendlichen Mut und Unterstützung.

Kleine Schritte – grosse Wirkung
Das schlechte Gewissen, nicht ständig verfügbar zu sein, begleitet Anita weiterhin. Doch sie lernt, sich davon zu lösen. «Mein starkes Pflichtgefühl baue ich langsam ab – um mehr Zeit für mein eigenes Leben und Studium zu haben und meine Energie gezielter einzusetzen.» Der Weg ist nicht einfach, aber ein Anfang ist gemacht. Im Rückblick sagt Anita:
« Zum Peer-Austausch kann ich sagen, dass es viele Einblicke in andere Erfahrungen und Erlebnisse in ähnlichen Situationen gegeben hat. Man fühlt sich schnell verstanden. »
*Name geändert