Psychische Erkrankungen und Krisen in der Lehre
Der Lehrstart ist geprägt von neuen Herausforderungen. Nicht nur die tägliche Routine verändert sich, sondern auch das Umfeld, die Aufgaben und die Rahmenbedingungen. Diese Veränderungen können die psychische Gesundheit ganz schön belasten oder gar Krisen auslösen. Wir zeigen, welche Warnsignale ernst genommen werden müssen und wie ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld einen sicheren Umgang mit psychischen Krankheiten fördert.
Frühzeitig das Gespräch zu suchen, ist bei psychischen Störungen sehr wichtig, auch wenn es Überwindung kostet. (pexels)
Viele Jugendliche sind mental belastet. Die Berufswahl und der Einstieg in die Lehre können psychische Erkrankungen oder Krisen zusätzlich begünstigen. Vielfach belasten psychische Probleme auch das Verhältnis zu den ausbildungsverantwortlichen Personen oder lösen Unsicherheit aus. Umso wichtiger ist es, psychische Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und ein stabiles, vertrauensvolles Umfeld in der Lehre zu schaffen, das eine offene Kommunikation begünstigt.
Psychische Störungen oder Krisen erkennen
Psychische Störungen entwickeln sich meistens vor dem 15. Lebensjahr, so dass Lernende oftmals bereits Erfahrungen mit psychischen Problemen gemacht haben. Unter psychischen Erkrankungen werden unter anderem Sucht, Depressionen, Angststörungen, Psychosen, Borderline oder Essstörungen verstanden. Schlafstörungen, schlechte Laune oder generelle Unlust können Anzeichen für eine psychische Störung sein. Aber auch einfach, wenn sich die Person anders verhält als früher oder sich zurückzieht. Suchen Sie unbedingt das Gespräch und hören Sie zu, ohne Probleme gleich lösen zu wollen. Informieren Sie die Eltern über den Gesundheitszustand oder ziehen Sie mit dem Einverständnis der Betroffenen weitere Fachpersonen hinzu.
Im Notfall
Nehmen Sie es sehr ernst, wenn Lernende Suizidgedanken äussern und gehen Sie wie folgt vor:
- Lassen Sie die gefährdete Person nie alleine oder schauen Sie, dass andere helfende Personen hinzukommen.
- Versuchen Sie, im Gespräch zu bleiben und nehmen Sie gleichzeitig Kontakt mit den Eltern oder behandelnden Fachpersonen auf.
- Nehmen Sie selbst oder die Eltern Kontakt zu professionellen Krisenberatungsstellen auf. Profis können telefonisch wichtige Anweisungen geben und Sie über die nächsten Schritte informieren. Weitere Notfallnummern sind:
– Sanität bei akuter Selbst- oder Fremdgefährdung: 144
– Dargebotene Hand: 143
– Beratung für Kinder und Jugendliche: 147
So gelingt der Umgang mit psychischen Erkrankungen in der Lehre
Damit der Einstieg in die Berufswelt gelingt, ist wichtig, dass sowohl von den Lernenden als auch von den Berufsbildner:innen ein möglichst offenes, wertschätzendes Miteinander gefördert wird. Ein vertrauensvolles Umfeld macht Gespräche über Schwierigkeiten erst möglich.
Offen und gesprächsbereit sein
Seien Sie als Berufsbildner:in also stets offen und gesprächsbereit. Wenn Sie von sich aus das Gespräch suchen, stellen Sie sicher, dass Sie genügend Zeit haben und wählen Sie einen passenden Ort. Manchmal kann es auch hilfreich sein, ein Gespräch draussen oder bei einem Spaziergang zu führen. So gestalten Sie das Gespräch:
- Stellen Sie fest, was Sie beobachtet haben. Zum Beispiel: Ich habe den Eindruck, dass es dir in letzter Zeit nicht so gut geht. Magst du darüber reden?
- Suchen Sie nicht zu sehr nach Antworten, sondern hören Sie zu und versuchen Sie sich in die Person hineinzuversetzen. Zum Beispiel: Was ist gerade besonders schwierig? Was müsste sich ändern, damit du dich besser fühlst?
- Seien Sie empathisch und nehmen Sie das Gegenüber ernst. Zum Beispiel: Ich verstehe, dass das belastend ist.
Das Gespräch kann so enden, dass Sie einen erneuten Gesprächstermin vereinbaren oder dass Sie auf Anlaufstellen hinweisen. Oftmals benötigt es auch mehrere Anläufe, bis gerade Jugendliche erkennen, dass sie Hilfe benötigen.
Steckst du in der Krise?
Diese Tipps helfen dir dabei, mit psychischen Belastungen umzugehen.
Orientierung und Sicherheit geben
Zu viel Unklarheit, Unsicherheit oder zu hoher Erwartungsdruck können eine zusätzliche Belastung sein oder die Symptome noch verstärken. Stellen Sie deshalb sicher, dass Regeln und Aufgaben möglichst klar kommuniziert werden, dies gibt Orientierung und Sicherheit. Leben Sie gleichzeitig eine positive Fehlerkultur vor und stellen Sie sicher, dass auch bei Misserfolgen das Verhältnis wertschätzend und zugewandt bleibt. Legen Sie den Fokus immer wieder auf Erfolgserlebnisse und versuchen Sie diese herbeizuführen. Die Selbstwirksamkeit von Lernenden wird gestärkt, wenn ihnen etwas zugetraut und Verantwortung übertragen wird – ohne zu überfordern.
Zusammenarbeit und Hilfe suchen
Es gibt verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten für Jugendliche mit psychischen Belastungen. Involvieren Sie als erstes die Eltern sowie betreuende Fachpersonen. Auch wenn viele davor zurückschrecken, kann es hilfreich sein, eine IV-Früherfassung in Betracht zu ziehen. Die Fachpersonen der IV können oftmals rasch Unterstützung leisten. Tauschen Sie sich auch mit anderen Berufsbildner:innen aus und achten Sie auf Ihre eigene Gesundheit.
Probleme während der Lehre sind sehr verbreitet. Ein vertrauensvolles Umfeld gibt Jugendlichen auch über den Berufseinstieg hinaus die Sicherheit, dass sie Herausforderungen meistern und mit ihrer psychischen Erkrankung ihre beruflichen Ziele erreichen können. Von den erlernten Strategien und dem gewonnenen Selbstvertrauen werden sie nicht nur in der Lehre, sondern ihr Leben lang profitieren.