Leben mit Beinprothese
Hey, hey, mein Name ist Barbara Römer und ich bin schon eine ganze Weile in dieser wunderbaren Welt unterwegs, was mir eine reiche und intensive Lebenserfahrung beschert hat.

Barbara spricht in ihrem Erfahrungsbericht offen über ihr Leben nach der Oberschenkelamputation. (Privataufnahme)
Ich war viele Jahre in der Privatwirtschaft tätig und habe parallel dazu meine Segelkarriere als Hochseeskipperin- und Ausbilderin sowie eine Karriere als Coach und Beraterin aufgebaut. So war ich denn lange Zeit als selbstständige Skipperin mit den verschiedensten Menschen auf allen Meeren unterwegs – oder als Coach in einem ruhigeren Setting mit festem Boden unter den Füssen tätig. Die Vielfalt meiner Tätigkeiten hat mich bereichert.
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Was ist passiert?
Aufgrund schwerer Kniearthrose, erhielt ich im Jahr 2017 einen Kniegelenkersatz (Knie-TEP). Für den bevorstehenden Eingriff und Reha, habe ich mich zwei Monate von meinen Verpflichtungen freigeschaufelt, mit der guten Absicht, dass ich dann wieder fit bin, um meine Geschäfte mit neuem Schwung weiterzubetreiben.
Nach der ersten Rehabilitationsphase mit dem neuen Gelenk, traten mehrere schwere Komplikationen auf, darunter auch verschiedene multiresistente Infektionen (MRE), die schwierige Behandlungen nach sich zogen. Im Frühjahr 2019 wurde dann mein Knie mit einem Arthrodesennagel versteift, um Infektfreiheit zu erreichen. Dadurch war ich drei Jahre lang mit einem steifen Bein unterwegs, was ein äusserst unbefriedigender Zustand war.

Im Frühjahr 2022 lockerte sich der Arthrodesennagel, wodurch erneut eine Entscheidung getroffen werden musste. Es gab kaum noch Optionen, sodass ich mich mit einer möglichen Beinamputation auseinandersetzten musste. Diese Findungsphase dauerte zwei Monate und stellte eine grosse Herausforderung für mich und mein direkt betroffenes Umfeld dar. Im Mai 2022 erfolgte dann die Amputation. Die Operation verlief erfolgreich und ich konnte wie geplant mein dreimonatiges Aufbau- und Gehtraining in Angriff nehmen. Der Kontakt zu den anderen Patienten während der Reha war sehr bereichernd. Wir unterstützten uns gegenseitig dabei, das Beste aus unseren Situationen zu machen und freuten uns über jeden noch so kleinen Fortschritt.
Mein Schlüsselerlebnis war ein Traum, den ich während der Reha träumte. Ich sah mich ohne Stöcke gehen und auch, wie genau ich dies tat. Am Morgen danach setzte ich den Traum in die Tat um – und es funktionierte. Meine Physiotherapeutin schaute mir zu und sagte: «Frau Römer, was machen Sie…?» Und ich antwortete lachend: «Mir hat es geträumt, dass ich ohne Stöcke gehen kann. Also mache ich das jetzt!» Grosses Gelächter! Von da an war in der Physiotherapie der Slogan «Keep on Dreaming» unser internes Motto und unser Running Gag.
« Steuerst du oder wirst du gesteuert? Und richtest du deine Segel nach dem Wind oder nach dem Kurs? »
Für mich als Seglerin zwei elementare Fragen, die ich mir stellte, als ich vor dem Entscheid zur Amputation stand. Denn, wenn ich nicht proaktiv meinen Prozess steuere, wird über meinen Kopf hinweg entschieden und ich verliere die Kontrolle über das, was geschehen wird. Ohne «Kurs-Kontrolle» kann ich meine Segel nicht aufs Ziel ausrichten. Meine persönliche Haltung gegenüber der bevorstehenden Amputation war also der zentrale Punkt für die richtige Ausrichtung der Segel. Ich habe so sprichwörtlich «Haltung und Kurs» bewahrt, um der Amputation guten Antrieb zu verschaffen!
Meiner Meinung nach trägt unsere persönliche Haltung gegenüber einer bestimmten Sache massgeblich zum erfolgreichen Gelingen bei. So habe ich mich bereits vor der Amputation visualisiert, wie ich neu gehen, segeln, Rad fahren und wandern werde. Alles Dinge, die ich heute, im Rahmen meiner Möglichkeiten, wieder tue.
« Du bist, was du denkst! »
Ich möchte mit meiner Geschichte anderen Mut zusprechen und aufzeigen, dass es danach auch ein lebenswertes, an das neue Sein angepasstes, Leben gibt. Niemand hindert uns daran, uns neu zu erfinden und Spass zu haben!
Ich musste auch meine Firma für Skipper- und Hochseeausbildung verkaufen und mein Baby schweren Herzens loslassen. Aber ich kann bereits wieder privat segeln und geniesse es auf dem Wasser unterwegs zu sein. Das Coaching ist von der Behinderung nur unwesentlich betroffen und kann problemlos weitergeführt werden. Ganz generell hilft es, das Glas halbvoll zu sehen und den Fokus auf das auszurichten, was funktioniert und nicht auf das, was nicht mehr funktioniert.
Ich wünsche euch genussvolles Sein und viel Erfolg im Tun!
Barbara ist auch Helferin unseres Angebots «Zweite Hilfe». Wir danken Barbara für ihr Engagement und den Erfahrungsbericht.