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Bitte nicht helfen!

Viele Menschen sind heutzutage für die Anliegen von Menschen mit Behinderungen sensibilisiert und möchten ihnen spontan Hilfe anbieten. Daraus entstehen oft Konflikte.

Kind, dass seinen Bizeps anspannt und lacht. | © unsplash

Menschen mit Behinderungen wollen selber bestimmen, ob sie Hilfe brauchen. (unsplash)

Neulich in einem Kölner Supermarkt. Der 28-jährige Jürgen hat keinerlei Probleme mit den täglichen Einkäufen. Mit gekonnter Routine bewegt er seinen Rollstuhl durch die Regale. Was ihm allerdings sehr Mühe bereitet, sind die ungebetenen Zwangshelfer. «Kaum bin ich im Supermarkt, nähert sich bereits ein Schatten von der Seite, schnappt sich meine Münze und holt für mich den Einkaufswagen aus dem Depot», sagt Jürgen: «Ob ich diese Hilfe wirklich möchte, scheint niemanden zu interessieren.»

Katja hat schon Ähnliches erlebt. Die gebürtige Berlinerin ist ein absoluter Profi im turbulenten Verkehr der Hauptstadt. Hilflos ist sie eigentlich nur bei «ungebetenen Helfern». «Wenn mich ein Fussgänger am Strassenrand erblickt, kriegt er gleich ein Blaulicht im Kopf und schiebt mich ungefragt über die Strasse,» sagt Katja. «Mit dem Zwangshelfen hören sie nur auf, wenn ich sie anschreie oder ihnen auf die Finger klopfe.» Ein blosses «Nein, danke» reiche da nicht.

Die Autonomie des Gegenübers respektieren

Für den Diplompsychologen Tim Glogner braucht es auf beiden Seiten Verständnis und Feingefühl, um solche Situationen konfliktfrei zu lösen.

« Viele meinen es ja wirklich gut, doch manchmal vergessen sie dabei, die Autonomie des Gegenübers zu respektieren »

, sagt Glogner: «Hier ist auf beiden Seiten Dialog gefragt. Wenn dieser nicht stattfindet, entsteht für beide Parteien Frustration.»

«Es ist sehr wichtig, dass beide Seiten etwas unternehmen, um diesen Konflikt zu entschärfen», sagt Mathes Dues. Der Psychologe, Schauspieler und Regisseur Mathes Dues hat bis vor kurzem noch im MDR die Sendung «Selbstbestimmt – Leben mit Behinderung» moderiert.

«Nichtbehinderte Menschen sind oft überfordert, wenn sie in den Kontakt mit behinderten Menschen treten würden. Sie möchten spontan helfen, fühlen sich aber gleichzeitig verunsichert, da sie wenig Übung im Dialog mit behinderten Menschen haben.» Die Betroffenen ihrerseits fühlen sich degradiert, wenn sie ungebeten herumgeschubst oder bevormundet werden.

Zuerst fragen, dann helfen

Jemand ohne Behinderung sollte zuerst nachfragen, ob seine Hilfe überhaupt erwünscht sei, meint Mathes Dues: 

« Wenn sich eine ältere Dame mit ihren Einkaufstaschen abschleppt, reisse ich ihr diese ja auch nicht aus der Hand, sondern frage zuerst höflich, ob ich beim Tragen behilflich sein kann. »

Menschen mit Behinderung ihrerseits sollten eine Sensibilität für die Unsicherheit des Gegenübers entwickeln und die Hilfeleistung, wenn sie wirklich nicht gebraucht wird, höflich, aber bestimmt ablehnen. Zum Beispiel mit den Worten: «Es ist sehr nett, dass Sie mir helfen möchten, aber ich komme schon alleine klar.»

Wenn man allerdings Hilfe braucht, sollte eine klare Anweisung gegeben werden, wie und bis zu welchem Grad geholfen werden soll. Tim Glogner sagt dazu: «Wichtig ist, dass Helfende im Vorfeld abklären, was der behinderte Mensch kann, was er selber probieren möchte, auch wenn es vielleicht zunächst langsamer geht.»


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